Im Sturm der Sinne
nichts, während Elen gedankenverloren in die Ferne blickte. Dann wandte sie sich ihr zu und lächelte sanft. »Würdest du gerne wissen, was geschehen ist? Vielleicht wird es Zeit, dass ich es jemandem erzähle.«
»Wenn Ihr möchtet, Mylady? Meine Lippen sind versiegelt.«
Elen ordnete die Decke auf ihren Beinen und faltete ihre Hände. »Schon als Kind habe ich Angus bewundert. Mein Vater und sein Vater waren eng verbündet, und die Mac Erca halfen den drei Cenels dabei, sich hier niederzulassen. Zwei oder dreimal im Jahr begleitete ich meinen Vater auf seinen Reisen hierher.« Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. »Angus war ein richtiger kleiner Wildfang, der immer ein hölzernes Schwert zum Üben bei sich hatte und immer blaue Flecken oder eine Schürfwunde von einem kleinen Kampf. Er hatte keine Zeit für Mädchen – und für mich sowieso nicht, die ich mir kaum je die Schuhe beschmutzte. Nur eine Einzige ließ er gewähren, und die scheute blaue Flecken und Kratzer genauso wenig wie er.«
»Formorian«, erriet Deidre leise.
Elen nickte. »Schon damals hätte ich es wissen können. Aber als wir älter wurden, war sie bei unseren Besuchen immer seltener hier. Ob Gabran sie fernhalten wollte – Ambrose war ihm bereits ein oder zweimal zu Hilfe gekommen – oder weil wir uns immer verpassten, ich weiß nicht. Ich war einfach nur glücklich, Angus für mich alleine zu haben.«
»Hat er Euch den Hof gemacht?«
»Zumindest dachte ich das«, antwortete Elen. »Er war mir gegenüber immer sehr höflich und aufmerksam und beachtete die Mädchen, die ihm in Scharen hinterherliefen, überhaupt nicht. Ich kann ihnen keinen Vorwurf machen … Angus hatte etwas Wildes, Ungezähmtes an sich, und wenn man ihm nahe kam, konnte man sogar eine Art Kraft spüren, die von ihm ausging. Frauen folgten ihm wie die Schlangen dem Heiligen St. Patrick.«
Vor Deidres Augen tauchte ein Bild auf. Arrogant wie Angus war, konnte sie sich nur zu gut vorstellen, wie er pfeifend voranschritt und die Frauen in die Irre führte. Allerdings wuchsen ihm in ihrer Phantasie auch noch zwei kleine Hörner aus dem Kopf, und ein Schwanz schlängelte sich hinter ihm.
»Aber Euch hat er seine Aufmerksamkeit geschenkt?«
Elen verzog das Gesicht. »Ich war jung und ganz vernarrt in ihn. Jetzt weiß ich, dass es meines Vaters wegen geschah. Schon mit vierzehn Jahren war Angus das Land mehr wert als alles andere.« Sie tupfte sich die Augen. »Fünf Jahre später habe ich mich dann entehrt.«
Deidre wartete still, bis sich Elen wieder gefasst hatte. Sie nahm einige unsichere Atemzüge und fuhr fort.
»Wir waren im Herbst zu Besuch gekommen, kurz nachdem die Ernte eingebracht worden war. Zu meiner Überraschung war Formorian anwesend, aber noch mehr überraschte mich, dass sie Turius geheiratet hatte. Angus war diesmal sehr, sehr still und beobachtete Formorian, wenn er sich unbeobachtet wähnte. Erinnerst du dich an das, was ich dir über den Blick eines Mannes gesagt habe? Damals erkannte ich das noch nicht als Liebe. Nicht, bis ich im ummauerten Garten zufällig auf die beiden stieß, wie sie sich küssten.«
»Was habt Ihr getan?«
»Oh, sie fuhren auseinander, und Formorian gab vor, dass etwas mit ihrem Schuh nicht stimmte, und Angus tat so, als wolle er sie nur stützen. Aber ich wusste, was ich gesehen hatte. Ich lächelte nur und ging.«
»Und keiner der beiden ist Euch gefolgt? Hat versucht, sich zu erklären?«
»Nein. Dazu sind beide zu stolz.« Elen hielt inne. »Aber der Anblick der beiden – seine starken Arme um sie geschlungen, ihre Finger in seinem Haar, ihre beiden Münder, die nacheinander dürsteten – ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Das wollte ich auch. Ich wollte wissen, wie es sich anfühlte, an Angus gepresst zu sein, ich wollte, dass er mich so streichelte, wie er sie gestreichelt hat.« Sie wandte errötend den Blick ab. »Und dann kam mir diese verrückte Idee.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr irgendetwas verrücktes tun könntet«, sagte Deidre.
Elen schüttelte den Kopf und fuhr fort. »Formorian war verheiratet. Er würde sie niemals bekommen können. Und ich wollte nie einen anderen als Angus. Also dachte ich, ›Warum nicht ich?‹ Ich würde neben einer guten Mitgift auch eine wichtige Verbindung mitbringen. Ich war mir sicher, dass er, wenn er mich erst einmal kannte, Formorian vergessen würde.«
»Was ist dann geschehen?«
Elen senkte den Blick zu Boden und ihre Stimme war fast
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