Im Sturm der Sinne
feuchten Kühle des Meeres. Sie kuschelte sich an seine Brust und hörte, wie er laut den Atem einzog.
»Sobald ich dich sicher nach Armorica gebracht habe, kehre ich zurück und suche in Tara danach«, murmelte er in ihr Haar.
Deidre blickte zu ihm auf, und ein Gefühl der Wärme überflutete sie, als die Dankbarkeit in ihr aufstieg. Gilead glaubte an ihre Mission – dass der Stein der Göttin gehörte – und war bereit, ihr zu helfen, sogar wenn sie selbst nicht dort sein konnte. Und sie vertraute ihm. Sollte er den Stein finden, würde er dafür sorgen, dass sie ihn bekam. Vielleicht würde er ihn sogar selbst nach Borcéliande bringen.
»Ich danke dir«, sagte sie, und setzte sich aufrecht hin, als der Kapitän vorbeiging und ihr verschwörerisch zulächelte. Gilead hatte den Kapitän geschmiert, damit er die Matrosen ohne Landgang an Bord behielt, bis er sichergehen konnte, dass ein anderes Boot verfügbar war, das Deidre nach Kernow bringen konnte. Falls keines vor Ort sein sollte, würde die Galeere seines Vaters sofort wieder wenden, und erneut in See stechen. Gilead hatte sich geweigert, ihr zu sagen, was er dem Kapitän erzählt hatte, aber so lüstern wie der Kapitän sie angrinste, konnte sie sich wohl vorstellen, dass er dachte, Gilead verstecke seine Geliebte an einem abgelegenen Ort, um sich noch ein Vergnügen zu gönnen, bevor er heiratete. Es plagte sie, dass sie diese Lüge nicht aus der Welt schaffen konnte, aber in Wirklichkeit wünschte sie sich fast, sie wäre wahr. Sie sehnte sich so sehr danach, sich noch einmal mit Gilead der Liebe hinzugeben, bevor … Entschieden verbannte sie das Bild der hübschen Dallis, wie sie Gileads Küsse und Umarmungen freudig empfing, aus ihrem Geist. Sie würde verrückt werden, wenn sie sich vorstellte, wie Gilead mit Dallis das Gleiche anstellte wie mit ihr.
»Sag mir, wie ich deine Großmutter finden werde.«
Er lächelte. »Mach dir keine Sorgen. Sie wird dich finden. Sie wird wissen, dass du kommst.«
Deidre starrte ihn an. »Wie? Hat auch sie die Gabe?«
»Manche behaupten das. Andere …«, er verstummte.
»Was?«, insistierte Deidre. »Was sagen die anderen?«
»Die Wasserfeen, von denen ich dir erzählt habe. Manche meinen, dass sie immer noch nach Schiffen aus ihrer Heimat Ausschau halten, die ihr Volk sicher an Land bringen sollen.« Er zuckte die Schultern. »Wahrscheinlich ist das irgendein Unsinn, den sie selbst in die Welt gesetzt hat.«
Gileads Großmutter faszinierte Deidre immer mehr, je mehr er von ihr erzählte. Dass ihr Heim eigentlich eine große Höhle war – sehr gut ausgestattet, wie er ihr versichert hatte –, die hinter einem Wasserfall versteckt lag. Einst, vor langer Zeit, war ein Mensch weit in den Wald hineingewandert, bis zum See sogar – und auch wieder zurückgekehrt –, und hatte die Geschichte einer jungen Frau erzählt, die im Wasser verschwunden und wahrscheinlich ertrunken war. Doch immer wenn ein anderer – ungeachtet der Gefahren – diese Reise machte, war die Frau noch immer dort. Dieses Mädchen war seine Großmutter gewesen.
Gilead hatte ihr außerdem erzählt, wie schadenfroh seine Großmutter immer gewesen war, als sie noch jünger war. Des Öfteren hatte sie, in weiße Kleider gehüllt, Jäger erschreckt und war dann im Unterholz verschwunden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Als Kind hatte seine Großmutter im ganzen Wald eine Reihe von unterirdischen Gängen entdeckt, die zu verborgenen, zumindest zeitweise verlassenen Erdhöhlen irgendwelcher Tiere führten, wie Gilead ihr erzählte. Sie genoss es, sich darin zu verstecken und unerwartet herauszuspringen. Als Deidre ihn fragte, ob sie nicht fürchtete, dass die Tiere zurückkehren könnten, wurde er ernst. Sie könne gut mit Waldtieren umgehen, sagte er, und Deidre müsse sich darauf einstellen, zahme Wölfe und Bären in ihrer Nähe vorzufinden.
Deidre erwachte aus ihrem Tagtraum. »Wird sie mich also empfangen, wenn ich von Bord gehe?«
Gilead schüttelte den Kopf. »Nein. Sie geht nie bis zum Hafen. Ihr missfällt der Lärm und das Gedränge.«
»Wie wird sie mich dann finden?«
»Nimm dir eine Kutsche, die dich zum Wald bringen wird. Zumindest bis an den Rand, denn nur wenige wagen sich weiter hinein. Du musst keine Angst haben. Geh etwa zehn Schritte hinein, bleib stehen und lausche. Sobald die Vögel wieder anfangen zu zwitschern, wirst du einen heraushören, der sich von allen anderen unterscheidet. Folge seinem Gesang. Sei
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