Im Sturm des Lebens
wünsche dir alles Gute, Pilar.«
»Ja, das glaube ich dir. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund wünsche ich dir das Gleiche. Auf Wiedersehen, Tony.«
Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, trat Pilar vorsichtig zu einem Sessel und ließ sich so behutsam darauf nieder, als ob sie auseinanderbrechen könnte.
Sie dachte daran, wie sie mit achtzehn gewesen war – heftig verliebt, voller Pläne, Träume und strahlender Aussichten.
Oder mit dreiundzwanzig, als sie endgültig ihre Unschuld verloren und der Betrug ihr das Herz zerbrochen hatte. Mit dreißig hatte sie versucht, gegen den Zerfall ihrer Ehe anzukämpfen, ein Kind großzuziehen und einen Mann zu halten, der zu gleichgültig war, um auch nur so zu tun, als liebte er sie.
Sie dachte daran, wie sie sich mit vierzig in den Verlust ergeben und all ihre Träume, ihre großen Pläne begraben hatte.
Jetzt wusste sie, wie es war, achtundvierzig zu sein, allein und ohne Illusionen. Ersetzt, ganz legal, durch das neue, verbesserte Modell, so wie sie insgeheim schon so oft ersetzt worden war.
Sie hob ihre Hand und schob den Ehering bis zum ersten Fingerglied hoch. Sie hatte den einfachen Reif dreißig Jahre lang getragen. Jetzt musste sie ihn ablegen und damit das Gelübde, das sie vor Gott, vor ihrer Familie und ihren Freunden abgelegt hatte, aufheben.
Tränen brannten in ihren Augen, als sie ihn vom Finger zog. Eigentlich, dachte sie, ist es ja nur ein leerer Kreis. Das perfekte Symbol für ihre Ehe.
Sie war nie geliebt worden. Pilar ließ den Kopf zurücksinken.
Wie düster, wie traurig, hier zu sitzen und sich einzugestehen, was sie so lange nicht hatte wahrhaben wollen. Kein Mann, noch nicht einmal ihr Ehemann, hatte sie je geliebt.
Als die Tür aufging, schloss sie die Finger um den Ring und drängte die Tränen zurück.
»Pilar.« Helen brauchte sie nur anzusehen. Sie presste die Lippen zusammen. »Okay, vergessen wir die Kaffeepause in der Unterhaltungsshow des heutigen Nachmittags.«
Da sie sich auskannte, trat sie zu einem bemalten Schränkchen, öffnete es und nahm eine Karaffe mit Cognac heraus. Sie schenkte zwei Gläser ein und setzte sich auf den Hocker vor Pilars Sessel.
»Trink, Liebes. Du siehst blass aus.«
Wortlos öffnete Pilar die Hand. Der Ring blinkte im Schein des Kaminfeuers einmal auf.
»Ja, das habe ich mir schon gedacht, als diese Schlampe den Klunker an ihrem Finger allen unter die Nase hielt. Sie verdienen einander. Dich hat er nie verdient.«
»Dumm, richtig dumm, sich davon so fertig machen zu lassen. Eigentlich waren wir doch seit Jahren schon nicht mehr verheiratet. Aber dreißig Jahre, Helen.« Pilar hielt den Ring hoch, und als sie durch den leeren Kreis blickte, sah sie ihr Leben. Eng und eingekapselt. »Dreißig verdammte Jahre! Sie trug noch Windeln, als ich Tony kennen lernte.«
»Das ist der Punkt. Sie ist jünger und hat größere Brüste.« Helen zuckte mit den Schultern. »Gott weiß, dass das allein ausreicht, um sie zu hassen. Ich bin auf deiner Seite, und alle anderen auch. Aber denk daran: Wenn sie in unserem Alter ist, füttert sie ihn mit Babynahrung und wechselt seine Windeln.«
Pilar stieß ein gequältes Lachen aus. »Ich hasse diese Situation, aber ich habe keine Ahnung, wie ich sie ändern sollte. Ich habe mich noch nicht einmal gewehrt, Helen.«
»Du bist eben keine Kämpfernatur.« Helen setzte sich auf die Armlehne des Sessels und legte den Arm um Pilar. »Du bist eine schöne, intelligente, nette Frau, die Pech gehabt hat. Und, verdammt noch mal, Liebes, dass diese Tür endlich zugeschlagen ist, ist das Beste, was dir passieren konnte.«
»Du meine Güte, du hörst dich an wie Tony.«
»Du brauchst mich nicht zu beleidigen. Außerdem hat er es nicht so gemeint, ich aber schon.«
»Vielleicht. Ich kann im Moment noch nicht klar sehen. Weder, was in der nächsten Stunde, noch was im nächsten Jahr passieren wird. O Gott, ich habe ihn noch nicht einmal dafür bezahlen lassen. Ich hatte nicht den Mumm dazu.«
»Keine Sorge, das besorgt schon sie .« Helen drückte Pilar einen Kuss auf den Scheitel. Kein Mann wie Tony sollte durchs Leben kommen, ohne zu bezahlen, dachte sie.
»Und wenn du ihn ein bisschen quälen willst, dann helfe ich dir dabei, eine Scheidungsvereinbarung aufzusetzen, die bleibende Narben und einen geschrumpften Hoden bei ihm hinterlässt.«
Pilar lächelte. Auf Helen konnte sie sich immer verlassen. »So unterhaltsam sich das anhört, es würde die Dinge nur
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