Im Sturm des Lebens
war es ihrer Mutter gelungen, eine ganze Familie einzuschmuggeln, ohne dass sie selbst etwas davon mitbekommen hatte.
So viele Veränderungen, und praktisch über Nacht ... Sie musste wohl wieder aufmerksamer werden. Sie hatte es nicht gern, wenn sich wesentliche Dinge änderten, ohne dass sie darauf vorbereitet war.
Trotzdem spielte sie die höfliche Gastgeberin, als sie zurückkehrte. »Es ist nur eine kurze Fahrt. Eigentlich sogar nur ein kleiner Spaziergang, wenn das Wetter gut ist.«
»Winterregen ist gut für die Trauben.« David ergriff ihre Jacke und half ihr hinein.
»Ja. Das sagt man mir auch immer, wenn ich mich über die Nässe beklage.« Sie traten nach draußen. »Es gibt eine direkte Leitung von Haus zu Haus. Sie brauchen also nur anzurufen, wenn Sie etwas benötigen oder eine Frage haben. Unsere Haushälterin heißt Maria und es gibt nichts, was sie nicht kann. Danke«, fügte sie hinzu, als David ihr die Beifahrertür des Van öffnete.
»Ihr habt eine wundervolle Aussicht«, fuhr sie fort und drehte sich zu den Kindern um, die hinten eingestiegen waren. »Von jedem Schlafzimmer aus. Und es gibt einen Pool. Natürlich habt ihr jetzt im Moment noch nichts davon, aber ihr dürft gern die Schwimmhalle hier im Haupthaus benutzen, wann immer ihr wollt.«
»Eine Schwimmhalle?« Theos Miene hellte sich auf. »Cool.«
»Das heißt aber nicht, dass du einfach in der Badehose
hereinschneien kannst, wann immer dir danach zumute ist«, warnte sein Vater ihn. »Sie dürfen nicht zulassen, dass sie das Haus übernehmen, Ms. Giambelli. Innerhalb einer Woche wären Sie reif für eine Therapie.«
»Das hat bei dir ja auch nicht funktioniert«, gab Theo zurück.
»Wir haben gern junge Leute um uns. Und nennen Sie mich doch bitte Pilar.«
»David.«
Hinter ihrem Rücken drehte sich Maddy zu ihrem Bruder um und klimperte heftig mit den Wimpern.
»Und jetzt nach links, David. Da sehen Sie das Haus schon. Ich finde, im Regen sieht es immer ein bisschen wie im Märchen aus.«
Interessiert beugte sich Theo vor. »Es ist ziemlich groß.«
»Vier Schlafzimmer und fünf Badezimmer. Es gibt ein hübsches Wohnzimmer, aber die große Wohnküche ist freundlicher, glaube ich. Kocht bei euch jemand?«
»Dad tut so, als ob«, erwiderte Maddy. »Und wir tun so, als äßen wir es gern.«
»Frechdachs. Und Sie?«, fragte David Pilar. »Kochen Sie?«
»Ja, und sogar sehr gut, aber selten. Nun, vielleicht gefällt Ihrer Frau ja die Küche, wenn sie kommt.«
Bei dem Schweigen, das plötzlich eintrat, zuckte Pilar innerlich zusammen.
»Ich bin geschieden.« David hielt vor dem Haus. »Es gibt nur uns drei. Dann wollen wir doch mal sehen. Das Gepäck holen wir später.«
»Es tut mir Leid«, murmelte Pilar, während die Kinder aus dem Auto sprangen. »Ich hätte nicht ...«
»Das ist doch ganz normal. Ein Mann, zwei Kinder, da erwartet man die ganze Familie. Machen Sie sich keine Gedanken deswegen.« Er tätschelte ihr beiläufig die Hand und öffnete ihr dann von innen die Tür. »Sie werden sich wegen der Zimmer zanken. Ich hoffe, Geschrei macht Ihnen nichts aus.«
»Ich bin Italienerin«, erwiderte sie nur und trat in den Regen.
5
I talienerin, dachte David später. Und großartig. Distanziert und freundlich zugleich. Kein einfacher Charakter. In dieser Hinsicht war sie wohl die Tochter ihrer Mutter.
Er besaß eine gute Menschenkenntnis – eine unschätzbare Fähigkeit, wenn man in größeren Unternehmen die schlüpfrige Karriereleiter hinaufsteigen wollte. Und bei Pilar Giambelli sagte ihm diese Kenntnis, dass sie gewohnt war, sowohl Befehle zu geben als sie zu empfangen.
Er wusste, dass sie verheiratet war und mit wem, aber da sie keinen Ring trug, nahm er an, dass die Ehe mit dem berüchtigten Tony Avano entweder vorbei oder ernsthaft gefährdet war. Das würde er herausfinden müssen, bevor er sie auf einer persönlicheren Ebene besser kennen lernte.
Sie hatte eine Tochter. Jeder in der Branche hatte schon von Sophia Giambelli gehört. Ein Energiebündel mit Stil und Ehrgeiz. Er war ihr ab und zu begegnet und fragte sich, wie sie es wohl aufgenommen hatte, dass er als Geschäftsführer eingesetzt worden war. Wahrscheinlich würde er vorsichtig vorgehen müssen, überlegte er und griff nach den Zigaretten in seiner Tasche. Im selben Moment fiel ihm ein, dass er keine hatte, weil er vor drei Wochen und fünf Tagen das Rauchen aufgeben hatte.
Denk an etwas anderes, befahl er sich und richtete
seine
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