Im Sturm des Lebens
wie ein albernes Schulmädchen. »Ich ... gute Nacht.«
Sie lief den Weg zurück, und als sie an der Treppe ankam, war sie außer Atem. Schmetterlinge tanzten in ihrem Bauch, und das Herz hämmerte ihr in der Brust – Gefühle, die sie seit langem nicht mehr empfunden hatte. Fast war es ihr peinlich.
Aber wütend war sie nicht mehr. Und auch nicht mehr traurig.
Kurz nach Mitternacht nahm Jeremy DeMorney in New York einen Anruf entgegen. Für ihn war die Person am anderen Ende der Leitung nicht mehr als ein Werkzeug, das man so einsetzte, wie es nötig war.
»Ich bin bereit. Bereit in die nächste Phase einzutreten.«
»Gut.« Lächelnd schenkte sich Jerry einen Cognac ein. »Es hat ziemlich lange gedauert, bis Sie sich dazu entschlossen haben.«
»Ich habe viel zu verlieren.«
»Und noch mehr zu gewinnen. Giambelli benutzt
Sie und man wird Sie ohne zu zögern hinauswerfen, wenn es der Firma dient. Sie wissen es, und ich weiß es auch.«
»Meine Position ist immer noch gesichert. Daran hat die Neuorganisation nichts geändert.«
»Im Moment nicht. Sie würden mich jedoch wohl kaum anrufen, wenn Sie sich keine Sorgen machten.«
»Ich bin es leid, das ist alles. Ich bin es leid, dass man meine Anstrengungen nicht honoriert. Ich habe es satt, überwacht und von Fremden bewertet zu werden.«
»Natürlich. Sophia Giambelli und Tyler MacMillan treten einfach nur in die familiären Fußstapfen. Ob sie es nun verdient haben oder nicht, sie tragen eben die richtigen Schuhe. Und jetzt ist auch noch David Cutter da. Ein cleverer Typ. Le Coeur hat es sehr bedauert, ihn zu verlieren. Er wird sich alle Bereiche des Unternehmens ganz genau ansehen. Und ein ernsthafter Blick könnte ... nun, er könnte Diskrepanzen aufdecken.«
»Ich bin vorsichtig gewesen.«
»Niemand ist jemals vorsichtig genug. Was wollen Sie jetzt auf den Tisch bringen? Es wird mehr sein als das Vorgeplänkel, aus dem unser letztes Gespräch bestand.«
»Das Jubiläum. Wenn es während des Zusammenschlusses Probleme gibt, die sich bis ins nächste Jahr, ins Jubiläumsjahr erstrecken, dann wird das die Fundamente des Unternehmens angreifen. Ich kann dazu beitragen.«
»Indem Sie einen alten Mann vergiften, zum Beispiel?«
»Das war ein Unfall.«
Die Panik, der Anflug von Jammern in der Stimme brachte Jerry zum Lächeln. Es war alles perfekt. »Nennen Sie es so?«
»Es war Ihre Idee. Sie haben gesagt, er wird nur krank davon.«
»Oh, ich habe viele Ideen.« Müßig betrachtete Jerry seine Fingernägel. Le Coeur bezahlte ihm für seine Ideen – seine weniger radikalen Ideen – genauso viel wie für die Tatsache, dass er DeMorney hieß. »Sie haben es getan, mein Freund. Und Sie haben es vermasselt.«
»Woher sollte ich wissen, dass er ein schwaches Herz hat?«
»Wie ich bereits sagte, niemand ist jemals vorsichtig genug. Wenn Sie jemanden hätten töten wollen, dann hätten Sie sich die alte Frau vornehmen sollen. Sobald sie einmal tot ist, können sie bei Giambelli die Löcher im Deich gar nicht so schnell stopfen, wie wir sie aufbohren.«
»Ich bin kein Mörder.«
»Verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen zu nahe getreten bin.« Du bist genau das, dachte Jerry. Und deswegen tust du jetzt auch alles, was ich will. »Ich frage mich, ob die italienische Polizei wohl daran interessiert ist, Baptistas Leiche zu exhumieren und eine Obduktion vorzunehmen, wenn sie einen anonymen Anruf bekäme. Sie haben ihn getötet«, sagte Jerry nach einer langen Pause, »und Sie tun besser alles Notwendige, um sich zu schützen. Wenn Sie meine Hilfe wollen und ich Sie weiterhin finanziell unterstützen soll, dann sollten Sie langsam mal zeigen, was Sie für mich tun können. Für den Anfang könnten Sie mir Kopien von allem machen: juristische Unterlagen, die Verträge, die
Pläne für die Werbekampagne. Jeden einzelnen Schritt. Die Berichte der Weinbauern in Napa und Venedig.«
»Das ist riskant, und ich brauche Zeit dafür.«
»Für das Risiko werden Sie bezahlt. Und für die Zeit auch.« Er war ein geduldiger und reicher Mann und konnte sich beides leisten. Er würde beides investieren, um die Giambellis fertig zu machen. »Rufen Sie mich erst wieder an, wenn Sie etwas Nützliches haben.«
»Ich brauche Geld. Ich kann das, was Sie brauchen, ohne ...«
»Geben Sie mir etwas, womit ich etwas anfangen kann. Dann bekommen Sie das Geld. So funktioniert das.«
»Es sind Weinstöcke. Wirklich eine tolle Sache.«
»Für uns sind sie tatsächlich eine
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