Im Sturm des Lebens
Knie fast nachgaben, stand sie auf. »Es tut mir Leid, aber ich muss jetzt zu meiner Familie fahren. Ich möchte nicht, dass sie es aus den Abendnachrichten oder von einem Fremden erfahren. Können Sie mir sagen ... was passiert jetzt mit meinem Vater? Was haben wir zu tun?«
»Wir ermitteln weiter. Mein Partner arbeitet in Ihrer
Wohnung mit dem polizeilichen Erkennungsdienst. Über alles Weitere reden wir mit der nächsten Angehörigen.«
»Ich bin das einzige Kind meines Vaters.«
»Rechtlich ist seine Ehefrau die nächste Angehörige, Ms. Giambelli.«
Sophia öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Ihre Hand fuhr ziellos durch die Luft. Tyler ergriff sie und hielt sie fest. »Ich verstehe. Natürlich. Ich muss nach Hause, Ty.«
»Wir fahren sofort.«
»Mr. MacMillan, ich muss auch Ihnen noch ein paar Fragen stellen.«
»Ich habe Ihnen meine Adresse gegeben.« Tyler warf dem Mann einen scharfen Blick über die Schulter zu und führte Sophia zur Tür. »Sie wissen, wo Sie mich finden können.«
»Ja.« Claremont klopfte mit dem Finger auf seinen Block. »Ich komme auf Sie zu.« Er hatte das Gefühl, als ob er und sein Partner bald einen Ausflug aufs Land machen müssten.
Alexander Claremont mochte französischen Wein, italienische Schuhe und amerikanische Jeans. Er war in San Francisco aufgewachsen, als mittlerer Sohn eines Ehepaars aus der Mittelschicht, Leuten, die hart gearbeitet hatten, um ihren drei Jungen ein gutes Leben und eine gute Ausbildung zu sichern.
Sein älterer Bruder war Kinderarzt, sein jüngerer Professor in Berkeley. Alex Claremont hatte Anwalt werden wollen. Er war jedoch dazu bestimmt, Polizist zu werden.
Das Gesetz bedeutete für einen Polizisten etwas anderes als für einen Anwalt. Ein Anwalt musste es
verdrehen, manipulieren und auf die Bedürfnisse seiner Klienten zurechtschneidern.
Claremont verstand das und prinzipiell respektierte er es auch. Für einen Polizisten war das Gesetz jedoch die Richtschnur. Und diese Richtschnur verehrte Claremont.
»Was hältst du von der Tochter?«
Er antwortete nicht gleich, aber daran war seine Partnerin gewöhnt. Sie fuhr, weil sie zuerst am Auto angekommen war.
»Sie ist reich«, sagte er schließlich. »Und sie hat Klasse. Harte Schale. Hat nichts gesagt, was sie nicht sagen wollte. Sie hat ’ne Menge gedacht, aber sie passt auf, was sie sagt.«
»Große, bedeutende Familie. Großer, saftiger Skandal.« Maureen Maguire bremste vor einer Ampel. Sie klopfte mit den Fingern aufs Lenkrad.
Sie und Claremont waren sehr gegensätzlich. Sie war fest davon überzeugt, dass sie vor allem deswegen nach ein paar Anfangsschwierigkeiten vor drei Jahren ihren Rhythmus gefunden hatten und so gut zusammenarbeiteten.
Sie hatte eine sehr weiße Haut, ein irischer Typ mit Sommersprossen, rotblonden Haaren, sanften blauen Augen und einem Grübchen in der linken Wange. Sie war sechsunddreißig, vier Jahre älter als Claremont und glücklich verheiratet, während er ein überzeugter Single war. Sie wohnte in einem Vorort von San Francisco und er mitten in der Stadt.
»Niemand hat ihn hineingehen sehen. Und es gibt kein Auto. Wir überprüfen die Taxi-Unternehmen, um festzustellen, ob ihn jemand dahin gefahren hat. So wie die Leiche aussieht, ist er mindestens schon sechsunddreißig Stunden tot. Der Schlüssel zu der
Wohnung steckte in seiner Tasche, zusammen mit dreihundert Dollar, ein paar Münzen und zahlreichen Karten. Er trug eine goldene Rolex und goldene Manschettenknöpfe mit hübschen kleinen Diamanten darin. In der Wohnung gibt es einige leicht zu transportierende Wertgegenstände, aber es ist nichts gestohlen worden.«
Alex warf Maureen einen Blick zu. »Im Ernst?«
»Ich bin gerade die Liste durchgegangen. Zwei Gläser Wein, eins voll, eins halb voll. Nur eins mit Fingerabdrücken – seinen Fingerabdrücken. Er ist dort erschossen worden, wo er saß. Keine Handgreiflichkeiten, keine Anzeichen eines Kampfes. Dem Einschusswinkel nach saß der Mörder auf dem Sofa. Nette kleine Party mit Wein und Käse, und oh, entschuldige bitte, bum bum bum. Du bist tot.«
»Der Mann hat sich innerhalb eines Tages scheiden lassen und wieder geheiratet. Ein romantisches Intermezzo, das übel ausgegangen ist?«
»Vielleicht.« Maguire schürzte die Lippen. »Schwer zu sagen. Drei Schüsse, Kaliber fünfundzwanzig, nehme ich an, und aus nächster Nähe. Sicher kein lauter Knall, aber es ist erstaunlich, dass niemand in dem schicken Gebäude was gehört
Weitere Kostenlose Bücher