Im Sturm des Lebens
hat.«
Sie fuhr in eine Parklücke und blickte zum nächsten schicken Gebäude hoch. »Komisch, dass ein frisch gebackener Ehemann nicht nach Hause kommt und die junge Braut ihn nicht als vermisst meldet.«
»Wir gehen der Sache jetzt mal nach.«
René war gerade von einer dreistündigen Sitzung in ihrem Schönheitssalon nach Hause gekommen. Nichts entspannte sie mehr, als dort verwöhnt zu werden – außer Einkaufen vielleicht. Und das hatte
sie sich auch noch gegönnt. Sie hatte kurz bei Neiman vorbeigesehen und sich reichlich entschädigt.
Tony würde für sein Schmollen teuer bezahlen müssen, dachte sie, während sie sich einen kleinen Vermouth einschenkte.
Er war schon einmal einfach verschwunden, als sie ihn wegen irgendeiner Angelegenheit bedrängt hatte. Das Gute war, dass er jedes Mal wieder zurückkam, ihr irgendein Geschenk mitbrachte und natürlich allem zustimmte, was sie von ihm verlangte.
Ihr machte das Ganze nicht besonders viel aus, weil sie unterdessen ein bisschen Zeit für sich selbst hatte. Außerdem war ja jetzt rechtlich alles abgesichert. Sie hob die linke Hand und betrachtete ihre glitzernden Ringe. Sie war Mrs. Anthony Avano, und sie hatte vor, es auch zu bleiben.
Oder ihm im Falle einer Scheidung das Fell über die Ohren zu ziehen.
Als es an der Tür läutete, lächelte sie. Das war bestimmt Tony. Kam wieder angekrochen. Er traute sich nie, seinen Schlüssel zu benutzen, wenn er weg gewesen war. Beim letzten Mal hatte sie nämlich die Pistole auf ihn gerichtet.
Eins musste man Tony lassen, er lernte schnell.
René öffnete die Tür – und blickte stirnrunzelnd auf die beiden Leute, die ihr Dienstmarken entgegenhielten.
»Mrs. Avano?«
»Ja. Was soll das?«
»Detective Claremont, und das ist meine Partnerin, Detective Maguire, San Francisco PD. Dürfen wir hereinkommen?«
»Warum?«
»Bitte, Mrs. Avano, dürfen wir hereinkommen?«
»Ist Tony im Gefängnis?«, zischte René und trat einen Schritt zurück, um die beiden hereinzulassen. »Was, zum Teufel, hat er getan?«
»Nein, Ma’am, er ist nicht im Gefängnis«, widersprach Maguire. »Es tut mir Leid, Mrs. Avano. Ihr Mann ist tot.«
»Tot?« René stieß heftig die Luft aus. »Das ist lächerlich. Sie haben sich in der Adresse geirrt.«
»Ein Irrtum ist ausgeschlossen, Mrs. Avano«, sagte Claremont. »Dürfen wir uns setzen?«
Renés Magen krampfte sich zusammen. »Soll ich Ihnen etwa glauben, dass Tony tot ist? Einfach tot?«
»Es tut uns sehr Leid, Ma’am. Sollen wir uns nicht besser setzen?« Maguire wollte nach ihrem Arm greifen, aber René zuckte zurück.
Sie war ein wenig blass geworden, aber ihre Augen waren voller Leben. Und blickten wütend. »Hatte er einen Unfall?«
»Nein, Ma’am. Können Sie uns sagen, wann Sie Ihren Mann das letzte Mal gesehen oder gesprochen haben?«
René starrte Claremont an. »Samstagnacht – oder am frühen Sonntagmorgen. Was ist mit Tony passiert?«
»Und Sie haben sich keine Sorgen gemacht, als Sie seither nichts von ihm hörten?«
»Wir hatten einen Streit«, zischte sie. »Tony schmollt danach häufiger schon mal. Ich bin nicht seine Mutter.«
»Nein, Ma’am.« Maguire nickte. »Sie sind seine Frau. Sie haben erst kürzlich geheiratet, nicht wahr?«
»Ja. Was ist ihm passiert? Ich habe ein Recht darauf, es zu erfahren!«
»Anthony Avano wurde erschossen.«
Renés Kopf zuckte zurück und Röte stieg ihr ins Gesicht. »Ich wusste es! Ich habe ihn gewarnt, dass sie etwas Verrücktes tun würde, aber er wollte ja nicht auf mich hören! Schließlich hat sie uns ja auch belästigt. Diese stillen Wasser, man kann ihnen nicht trauen!«
»Wem, Mrs. Avano?«
»Seiner Frau.« René holte tief Luft und ergriff ihren Drink. »Seiner Ex -Frau. Pilar Giambelli. Die Schlampe hat ihn umgebracht. Und wenn nicht sie, dann diese kleine Hure von ihrer Tochter.«
Tyler wusste nicht, was er für Sophia tun sollte. Sie saß mit geschlossenen Augen auf dem Beifahrersitz. Aber er wusste, dass sie nicht schlief. Sie hielt sich nur mit Mühe aufrecht, und er war sich nicht sicher, wie er sie ansprechen sollte.
Also schwieg er auf der langen Fahrt nach Norden.
Die Energie und die Vitalität, die zu Sophia gehörten wie das Atmen, waren verschwunden. Wie eine Puppe saß sie neben ihm. Vielleicht befand sie sich in einer Art Luftblase zwischen dem Schock und der nächsten Phase, der Trauer. Ty verstand nicht allzu viel von solchen Dingen. Er hatte noch nie jemanden verloren, der
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