Im Sturm des Lebens
deutlich vor Augen geführt.«
»Das ist Unsinn.«
»Ach, tatsächlich, Mama?« Sie drehte sich um. »Vor zwei Monaten hast du mich unvermittelt ins Geschäftsleben gestoßen, und ich habe in null Komma nichts bewiesen, dass ich dazu kein Talent habe.«
»Ich hätte nicht so lange damit warten dürfen. Vor Jahren bin ich mit ganz bestimmten Zielen hierher gekommen. Ich wollte Giambelli zum besten Unternehmen auf der ganzen Welt machen. Ich wollte
heiraten und Kinder bekommen, und sie glücklich und gesund aufwachsen sehen.«
Automatisch begann Teresa, die Töpfchen und Tiegel auf Pilars Schminktisch hin und her zu schieben. »Eines Tages wollte ich dann das, was ich aufgebaut hatte, in deine Hände legen. Die vielen Kinder, von denen ich geträumt hatte, gab es nicht. Das schmerzt mich, aber immerhin gibt es dich. Du bist vielleicht traurig, dass aus deiner Ehe und dem Wunsch nach vielen Kindern nichts geworden ist. Aber liebst du Sophia deshalb weniger?«
»Natürlich nicht.«
»Du glaubst, ich sei von dir enttäuscht.« Teresa blickte Pilar im Spiegel an. »Das war ich auch. Enttäuscht, dass du einem Mann erlaubt hast, dein Leben zu beherrschen, dass du ihm erlaubt hast, dich minderwertig zu fühlen. Und dass du nichts daran geändert hast.«
»Ich habe ihn lange Zeit geliebt. Das war vielleicht ein Fehler, aber du kannst deinem Herzen nichts befehlen.«
»Bist du sicher?«, fragte Teresa. »Jedenfalls konnte ich dich durch nichts umstimmen. Und wenn ich zurückblicke, lag mein Fehler darin, dass ich es dir zu leicht gemacht habe. Das ist jetzt vorbei, und du bist noch zu jung, um dir nicht neue Ziele zu stecken. Ich möchte, dass du an deinem Erbe teilhast, dass du teilhast an dem, was ich erschaffen habe. Ich bestehe darauf.«
»Selbst du kannst aus mir keine Geschäftsfrau machen.«
»Dann mach etwas anderes aus dir«, erwiderte Teresa ungeduldig. »Hör endlich auf, dich nur als Widerspiegelung dessen zu betrachten, was ein
Mann in dir gesehen hat, und sei du selbst. Ich habe dich gefragt, ob es dich stört, wenn die Leute über dich reden, und mir wäre am liebsten gewesen, du hättest geantwortet, zum Teufel mit den Leuten. Lass sie doch reden. Gib ihnen etwas zum Reden.«
Überrascht schüttelte Pilar den Kopf. »Du hörst dich an wie Sophia.«
»Dann pass auf: Wenn du David Cutter willst, dann nimm ihn dir. Eine Frau, die nur dasitzt und darauf wartet, dass sie etwas bekommt, steht am Ende mit leeren Händen da.«
»Wir gehen doch nur zum Abendessen ...«, begann Pilar, brach aber ab, als Maria das Zimmer betrat.
»Mr. Cutter ist unten.«
»Danke, Maria. Sag ihm, Miss Pilar kommt gleich.« Teresa blickte wieder zu ihrer Tochter und sah die leichte Panik in ihrem Blick. »Den gleichen Ausdruck hattest du schon mit sechzehn, wenn ein junger Mann im Salon auf dich wartete. Schön, das noch einmal zu sehen.« Sie streifte Pilars Wange mit den Lippen. »Ich wünsche dir einen schönen Abend.«
Als sie wieder allein war, nahm sich Pilar einen Moment lang Zeit, um sich zu beruhigen. Sie war nicht mehr sechzehn, und es war nur ein Abendessen. Es würde sehr kultiviert und höchstwahrscheinlich äußerst vergnüglich vonstatten gehen. Mehr nicht.
Nervös überprüfte sie an der Treppe noch einmal den Inhalt ihrer Tasche. Als ihre Finger auf zwei Päckchen Kondome stießen, blinzelte sie entsetzt.
Sophia, dachte sie und schloss die Tasche hastig wieder. Um Gottes willen! Unwillkürlich musste sie kichern.
Dann ging sie die Treppe hinunter. Sie würde alles einfach auf sich zukommen lassen.
Es war eine Verabredung. Ein anderes Wort gab es nicht dafür, das musste Pilar zugeben. Nichts anderes legte diesen rosigen Schimmer über einen Abend, nichts anderes verursachte Schmetterlinge im Bauch. Es mochte Jahrzehnte her sein, seit sie ihre letzte Verabredung gehabt hatte, aber jetzt kam die Erinnerung deutlich und klar zurück.
Sie hatte ganz vergessen, wie es war, mit einem Mann bei Kerzenschein an einem Tisch zu sitzen und einfach nur zu reden. Und mehr noch, dieser Mann hörte ihr zu, schenkte ihr Aufmerksamkeit . Natürlich hatte sie nicht vor, daraus eine Beziehung werden zu lassen, außer, nun ja, Freundschaft vielleicht. Aber jedes Mal, wenn sie daran dachte, was Sophia ihr in die Tasche gesteckt hatte, bekam Pilar feuchte Handflächen.
Eine Freundschaft mit einem attraktiven, interessanten Mann würde schön sein.
»Pilar! Wie wundervoll, dich zu sehen!«
Pilar erkannte die Duftwolke
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