Im Sturm des Lebens
vorkommen. Sophia, ich war fast dreißig Jahre lang verheiratet. Ich kann mich jetzt nicht einfach einem anderen Mann in die Arme werfen.«
»Dad ist tot, Mama.« Sophia hielt Pilar weiterhin umschlungen, aber ihre Stimme wurde weicher. »Es ist schwer für mich, das zu akzeptieren, damit zu leben, wie es passiert ist, und damit fertig zu werden, dass ich nicht die Gelegenheit hatte, mich von ihm zu verabschieden. Es ist auch schwer zu wissen, dass er mich nicht wirklich geliebt hat.«
»O Sophie, er hat dich geliebt.«
»Nein.« Sie trat einen Schritt zurück. »Nicht so, wie ich es wollte oder brauchte. Du, du hast mich immer geliebt. Aber er war nicht für mich da. Und er war auch nicht für dich da. Das lag nicht in seiner Natur. Und jetzt hast du die Chance, mit jemandem zusammen zu sein, der dir Aufmerksamkeit schenkt.«
»O Kind.« Pilar streichelte ihrer Tochter über die Wange.
»Ich wünsche es dir so sehr! Und ich wäre so traurig und wütend, wenn ich denken müsste, dass du diese Chance vertust wegen etwas, das es nie gab. Ich liebe dich! Ich möchte, dass du glücklich bist.«
»Ich weiß.« Pilar küsste Sophia auf die Wangen. »Ich weiß. Aber ich brauche auch Zeit, um damit fertig zu werden. Und, cara , es geht nicht nur um deinen Vater, um das, was zwischen uns war oder was mit ihm geschehen ist. Es geht auch um mich. Ich weiß nicht, wie ich mit jemand anderem zusammen sein soll, oder ob ich das überhaupt möchte.«
»Wie willst du es denn jemals erfahren, wenn du es gar nicht erst versuchst?« Sophia wollte sich auf den Tisch setzen, besann sich dann aber eines Besseren. Der Umstände wegen. »Du magst ihn doch, oder?«
»Natürlich mag ich ihn.« Mögen? dachte sie. Eine Frau rollte sich nicht stöhnend mit einem Mann in Blumenerde herum, wenn sie ihn nur mochte . »Er ist ein sehr netter Mann«, brachte sie hervor. »Und ein guter Vater.«
»Und du findest ihn attraktiv. Er hat einen tollen Hintern.«
»Sophia!«
»Wenn du mir erzählen willst, dass dir das nicht aufgefallen ist, müsste ich ein Gebot überschreiten und meine Mutter eine Lügnerin nennen. Und er hat so ein gewisses Lächeln ...«
»Er hat liebe Augen«, murmelte Pilar. Ihre Tochter seufzte.
»Ja. Wirst du mit ihm ausgehen?«
Pilar rückte geschäftig die Töpfe hin und her. »Ich weiß noch nicht.«
»Tu es ruhig. Erkunde ihn ein bisschen. Teste, wie es sich anfühlt. Und nimm aus meinem Nachtschränkchen ein Kondom mit.«
»Oh, du meine Güte!«
12
M addy beäugte ihren Vater misstrauisch, während er seine Krawatte band. Es war die graue mit den dunkelblauen Streifen. Er hatte zwar gesagt , er und Mrs. Giambelli gingen nur aus geschäftlichen Gründen zum Abendessen aus. Aber sie glaubte ihm nicht.
Sie musste darüber nachdenken, was sie dabei empfand. Doch im Moment vergnügte sie sich damit, ihn ein bisschen zu ärgern.
»Nasenpiercing ist ein Symbol des Selbstausdrucks!«
»Es ist unhygienisch!«
»Es ist eine uralte Tradition.«
»In der Familie Cutter ist es keine uralte Tradition. Du wirst dir die Nase nicht piercen lassen, Madeline. Das ist mein letztes Wort.«
Sie seufzte und zog einen Schmollmund. Eigentlich hatte sie auch nicht vor, sich die Nase piercen zu lassen, sie wollte nur unbedingt ein drittes Loch im linken Ohrläppchen. Und es war eine gute Strategie, sich von der Nase aus vorzuarbeiten. Eine Strategie, die ihrem Vater sicher gefallen würde, wenn er davon wüsste.
»Es ist mein Körper.«
»Nicht bevor du achtzehn bist. Bis zu diesem glücklichen Tag bestimme ich. Geh und nerv deinen Bruder.«
»Das geht nicht. Ich rede im Moment nicht mit ihm.«
Maddy rollte sich auf dem Bett ihres Vaters auf den Rücken und streckte die Beine in die Luft. Sie trug das übliche Schwarz, aber langsam bekam sie es satt. »Kann ich mich stattdessen tätowieren lassen?«
»Oh, natürlich. Wir lassen uns alle dieses Wochenende tätowieren.« Er drehte sich um. »Wie sehe ich aus?«
Maddy legte den Kopf schräg. »Besser als der Durchschnitt.«
»Du bist der Trost meines Alters, Maddy.«
»Wenn ich für meine Wissenschaftsklausur ein A bekomme, darf ich mir dann die Nase piercen lassen?«
»Wenn Theo irgendwo ein A bekommt, würde ich es mir glatt überlegen, ob er sich piercen lassen darf.«
Da beide Möglichkeiten ziemlich weit hergeholt waren, musste Maddy lachen. »Ach, komm, Daddy!«
»Ich muss los.« Er scheuchte sie vom Bett und schleppte sie aus dem Zimmer, indem er sie um die Taille
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