Im Sturm des Lebens
deshalb habe ich mich mehr um sie gekümmert. Jedenfalls habe ich mir aus diesen Gründen den Van gekauft und beschlossen, mit ihnen quer durchs Land zu fahren, statt uns alle in einen Flieger zu verfrachten. Nichts schweißt eine Familie so zusammen wie eine Dreitausendmeilenfahrt in einem geschlossenen Vehikel – wenn man sie überlebt.«
»Das war sehr mutig von dir.«
»Du redest von Mut?« Er bog in die Auffahrt zur Villa ein. Pilar wollte aussteigen, aber er hielt sie zurück.
»Ich öffne die Tür. Lass uns diesen Abend richtig beenden.«
Sie wurde wieder nervös. Was meinte er damit? fragte sie sich, während er um den Wagen herumging. Erwartete er von ihr, dass sie ihn hereinbat, damit sie sich im Salon küssen konnten? Sicher nicht. Das stand ganz außer Frage.
Er würde sie nur zur Tür bringen. Sie konnten sich Gute Nacht sagen und sich einen flüchtigen – wirklich nur ganz flüchtigen – Kuss geben. Unter Freunden, rief sie sich ins Gedächtnis und zuckte zurück, als er die Tür öffnete.
»Danke. Es war ein schönes Essen, ein wundervoller Abend.«
»Für mich auch.« Er ergriff ihre Hand. Es überraschte ihn nicht, dass sie kalt war. Er hatte das Misstrauen in ihren Augen gesehen.
»Ich will dich wiedersehen, Pilar.«
»Oh. Nun, natürlich. Wir sind ...«
»Nicht in Gesellschaft«, sagte er und drehte sie zu sich. »Nicht aus geschäftlichen Gründen. Allein.« Er zog sie an sich. »Und aus sehr persönlichen Gründen.«
»David ...«
Aber da war sein Mund schon wieder über ihrem. Dieses Mal sanft. Überredend. Nicht mit der abrupten, schockierenden Hitze, die all ihre Bedürfnisse mit einem Schlag zum Leben erweckt hatte, sondern mit einer Wärme, die sich langsam ausbreitete und geduldig all ihre Verkrampfungen löste. Die sie aufweichte, bis sie das Gefühl hatte, dahinzuschmelzen.
Er umfasste ihr Gesicht mit den Händen und fuhr zärtlich mit den Daumen über ihre Wangenknochen. »Ich rufe dich an.«
Sie nickte und griff blindlings nach dem Türknopf. »Gute Nacht, David.«
Dann trat sie ins Haus und schloss die Tür hinter sich. Und wie albern sie sich auch vorkommen mochte, sie schwebte geradezu die Treppe hinauf.
In der Kellerei hatte Sophia schon immer an ein Schmugglerparadies denken müssen. Diese weiten,
hallenden Gewölbe mit den riesigen Fässern voller Wein ... Sie hatte sich stets gern dort aufgehalten, und schon als Kind durfte sie sich an einen der kleinen Tische setzen und einer der Winzer gab ihr ein kleines Probierglas.
Sie hatte sehr früh gelernt, aufgrund von Aussehen, Geruch und Geschmack einen hervorragenden Jahrgang von einem gewöhnlichen Wein zu unterscheiden. Und sie hatte schon früh begriffen, welche Feinheiten einen Wein über einen anderen erhoben.
Wenn sie dadurch für das Gewöhnliche verdorben worden war, was machte das schon? Sie suchte nach Qualität, erkannte und verlangte sie, weil sie dazu erzogen worden war, sich nicht mit etwas Geringem zufrieden zu geben.
Im Moment dachte sie jedoch nicht an Wein, sondern an Männer.
Sie studierte auch diese ganz genau. Sie erkannte einen minderwertigen Charakter, wusste, wer wahrscheinlich einen bitteren Nachgeschmack hinterließ und wer sich mit der Zeit als gut erweisen würde.
Deshalb hatte sie vermutlich noch keine langjährige, ernsthafte Beziehung zu einem Mann gehabt. Keiner von denen, die sie getestet hatte, hatte den richtigen Geschmack, das richtige Bouquet gehabt, als dass sie sich damit hätte zufrieden geben können.
Was ihre Fähigkeit betraf, die richtige Wahl für sich zu treffen und ohne Konsequenzen die Testphase zu genießen, besaß sie absolutes Selbstvertrauen. Aber ihrer Mutter traute sie in diesem Zusammenhang nicht allzu viel zu.
»Es ist ihre dritte Verabredung in zwei Wochen.«
»Mmm.« Ty hielt ein Glas Claret an das offene Feuer, um seine Farbe zu überprüfen. Er verließ sich
wie sein Großvater und La Signora auf die alten Methoden. Er gab ihm eine Zwei für Farbe und Klarheit und schrieb die Noten in seine Tabelle.
»Meine Mutter und David.« Sophia versetzte ihm einen Schubs, um seine Aufmerksamkeit zu erregen.
»Was ist mit ihnen?«
»Sie gehen heute Abend schon wieder aus. Zum dritten Mal in zwei Wochen.«
»Und warum soll mich das interessieren?«
Sie seufzte. »Sie ist verletzlich. Ich kann nicht sagen, dass ich ihn nicht mag, eigentlich finde ich ihn sogar nett. Und schließlich habe ich sie anfangs ermutigt, als er Interesse an ihr zeigte.
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