Im Sturm des Lebens
einen Schritt verpasst haben.«
»Du hast doch gar keins.«
»Verglichen mit dir nicht.« Er stellte das Glas ab, um seine Wertung zu notieren. »Du gehst durch Männer wie ein Messer durch Käse. Ein langsamer, langer Schnitt, ein bisschen Knabbern, weglegen. Du irrst dich, wenn du glaubst, diese Standards auch bei Pilar ansetzen zu können.«
»Ich verstehe.« Sophia blickte ihn verletzt an. Er hatte es mal wieder geschafft, sie zu kränken. Genau wie ihr Vater. Sie rückte näher, weil sie das Bedürfnis hatte, ihn dafür zu bestrafen. »Durch dich habe ich noch nicht hindurchgeschnitten, Ty, oder? Bei dir ist mir noch nicht einmal der erste Schnitt gelungen. Liegt es vielleicht daran, dass du Angst vor einer Frau hast, die mit Sex umgeht wie ein Mann?«
»Ich habe überhaupt keine Lust, es mit einer Frau zu versuchen, die mit Sex umgeht wie ein Mann. Ich bin eben altmodisch.«
»Warum erweiterst du nicht einfach mal deinen Horizont?« Sie reckte ihm einladend ihr Gesicht entgegen. »Trau dich«, neckte sie ihn.
»Ich bin nicht interessiert.«
Sie schlang ihm die Arme um den Hals, und ihr Griff wurde fester, als er versuchte, sie abzuschütteln. »Wer von uns blufft jetzt?«
Ihre Augen glänzten dunkel. Ihr Duft hüllte ihn ein, und ihre Lippen streiften seine.
»Warum testest du mich nicht einfach mal?«, fragte sie leise.
Es war ein Fehler, aber es war schließlich nicht sein erster. Er packte sie an den Hüften und ließ seine Hände an ihr hinaufgleiten.
»Sieh mich an«, befahl er und senkte seinen Mund auf ihre Lippen.
Er küsste sie lange, langsam und tief. Und er ließ ihren Geschmack über seine Zunge rollen wie einen guten Wein.
Aus dem Verführten war der Verführer geworden. Sophia merkte es zwar, aber sie konnte nicht widerstehen.
Es lag viel mehr in dem Kuss, als sie erwartet hatte. Mehr als ihr jemals angeboten worden war, als sie jemals angenommen hatte.
Tyler beobachtete sie eindringlich. Selbst als er mit ihrem Mund spielte, sich alles in ihrem Kopf drehte und sie sich ihm entgegendrängte, beobachtete er sie mit der Geduld einer Katze. Das allein war eine ganz neue, aufregende Erfahrung.
Wieder glitten seine Hände an ihren Seiten hinunter, streiften ihre Brüste. Dann löste er sich von ihr.
»Du manipulierst mich, Sophia. Ich mag das nicht.«
Er wandte sich ab und trank einen Schluck Wasser aus der Flasche, die bereitstand, um den Geschmack des Weins zu neutralisieren.
»Ein Winzer ist auch ein Wissenschaftler.« Sie holte tief Luft. »Du hast doch sicher schon einmal was von chemischen Reaktionen gehört.«
Er drehte sich um und hielt ihr die Flasche hin. »Ja. Und ein guter Winzer nimmt sich Zeit, weil manche chemischen Reaktionen nur Chaos hinterlassen.«
Enttäuscht blickte sie ihn an. »Kannst du nicht einfach sagen, dass du mich begehrst?«
»Doch, das kann ich. Ich begehre dich, und zwar so sehr, dass ich manchmal kaum Luft bekomme, wenn du zu nahe bist.«
So wie jetzt, dachte er, immer noch ihren Geschmack spürend.
»Aber wenn ich mit dir ins Bett gehe, wirst du mich so ansehen, wie du mich gerade angesehen hast. Und dann geht es nicht mehr nur um irgendeinen Mann und um irgendeine Bettgeschichte, sondern dann geht es um mich, und du weißt es.«
Ein Schauer durchrann sie. »Warum lässt du das wie eine Drohung klingen?«
»Weil es eine ist.« Er wandte sich ab, ergriff das nächste Glas Wein und machte sich wieder an die Arbeit.
13
C laremont las wieder einmal die Akte Avano. Er verbrachte sogar einen großen Teil seiner Freizeit damit, die Daten, die Beweise, den Tatort und die medizinischen Untersuchungsergebnisse zu studieren. Er konnte die Aussagen und Verhöre fast auswendig zitieren.
Nach fast acht Wochen gingen die meisten davon aus, dass die Ermittlungen in eine Sackgasse geraten waren. Keine wirklichen Verdächtigen, keine greifbaren Spuren, keine einfachen Antworten.
Die Sache beschäftigte ihn sehr. Er glaubte nicht an das perfekte Verbrechen, sondern an übersehene Details.
Was hatte er übersehen?
»Alex.« Maguire setzte sich auf die Ecke seines Schreibtisches. Sie wollte nach Hause und trug bereits ihren Mantel, um sich gegen das elende Februarwetter in San Francisco zu schützen. Ihr Jüngster schrieb morgen eine Geschichtsarbeit, ihr Mann kämpfte mit einer Erkältung und zum Abendessen gab es nur Reste.
Niemand zu Hause würde glücklich sein, aber sie musste trotzdem hin.
»Mach Feierabend«, sagte sie zu ihm.
»Es gibt ständig
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