Im Sturm des Lebens
lose Enden«, beklagte er sich.
»Ja, aber du kannst sie nicht alle zusammenfügen. Der Fall Avano ist noch ungelöst, und es sieht so
aus, als bliebe es auch dabei, wenn wir nicht Glück haben und uns etwas in den Schoß fällt.«
»Ich will kein Glück haben.«
»Ach, weißt du, ich lebe dafür.«
»Er benutzt die Wohnung seiner Tochter für ein Treffen«, begann Claremont und ignorierte den tiefen Seufzer seiner Partnerin. »Niemand sieht ihn hineingehen, niemand hört die Schüsse, niemand sieht jemanden herauskommen.«
»Weil es drei Uhr morgens war. Die Nachbarn haben geschlafen, und weil sie an den Lärm der Stadt gewöhnt sind, haben sie den Pistolenknall nicht gehört.«
»Scheißpistole. Weiberpistole.«
»Wie bitte?« Maguire klopfte auf ihren Neun-Millimeter-Polizeirevolver.
»Na gut, Laienpistole«, korrigierte er sich lächelnd. »Wein und Käse, ein spätes Treffen in einer fremden Wohnung. Hat sich offensichtlich zu Hause heimlich davongeschlichen. Das Opfer ist ein Kerl, der gern fremdgeht. Das riecht nach einer Frau. Und vielleicht ist das der Punkt. Es sollte nach einer Frau aussehen.«
»Wir haben den Täter auch unter Männern gesucht.«
»Vielleicht müssen wir noch einmal genauer nachforschen. Die Ex-Mrs. Avano ist in Gesellschaft eines gewissen David Cutter gesehen worden.«
»Das würde bedeuten, dass sich ihr Männergeschmack deutlich verbessert hat.«
»Sie bleibt fast dreißig Jahre verheiratet mit solch einem Hurensohn, der ständig fremdgeht. Warum?«
»Sieh mal, mein Mann betrügt mich nicht, und ich liebe ihn sehr. Aber manchmal frage ich mich,
warum ich eigentlich immer noch mit ihm verheiratet bin. Mrs. Giambelli ist katholisch«, schloss Maguire mit einem weiteren Seufzer. Ihr war mittlerweile klar, dass sie so bald noch nicht nach Hause kommen würde. »Eine praktizierende italienische Katholikin. Da fällt einem die Scheidung nicht leicht.«
»Als er sie darum bat, hat sie aber eingewilligt.«
»Sie hat ihm nicht im Weg gestanden. Das ist etwas anderes.«
»Ja, aber als geschiedene Katholikin könnte sie nicht wieder heiraten, oder? Oder mit Billigung der Kirche mit einem anderen Mann zusammenleben.«
»Dann hat sie ihn also umgebracht, um freie Bahn zu haben? Das ist weit hergeholt, Alex. Auf der katholischen Sündenskala steht Mord eindeutig über Scheidung.«
»Oder jemand anderes hat es für sie getan. Cutter wird in das Unternehmen geholt und steht über Avano. Das schafft Probleme. Cutter gefällt Avanos Ex-Frau, von der er bald geschieden sein wird.«
»Wir haben Cutter gründlich überprüft. Er ist sauber.«
»Vielleicht. Vielleicht hatte er aber vorher auch nur keine Gelegenheit, sich die Hände schmutzig zu machen. Sieh mal, wir haben herausgefunden, dass Avano in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Und da die Witwe als Schauspielerin nicht gerade Oscar-Qualitäten hat, nehme ich an, dass das eine große, unerfreuliche Überraschung für sie war. Wenn man also von der Theorie ausgeht, dass Avano seine finanziellen Probleme für sich behalten hat, aber andererseits sicher auch nicht der Typ war, der lange ohne seinen Beluga auskam, wen sollte er dann anpumpen?
Bestimmt keinen seiner Freunde aus der Gesellschaft«, fuhr Claremont fort. »Dann hätte er sich nämlich auf dem nächsten Wohltätigkeitsball nicht mehr zeigen können. Er geht also zu Giambelli, wo ihm schon seit Jahren ausgeholfen worden ist. Zu seiner Ex-Frau vielleicht.«
»Und wenn man deiner Argumentation folgen will, schäumte Cutter vor Wut, weil sie ihm wieder Geld gab. Falls sie es übrigens nicht getan hat und Avano gemein geworden ist, hat er auch geschäumt. Aber von vor Wut schäumen bis dahin, drei Kugeln in einen Mann zu jagen, ist es ein weiter Weg.«
Und doch dachte sie darüber nach. Bisher hatten sie so wenig in der Hand gehabt. »Wir sollten uns morgen mal mit David Cutter unterhalten.«
Davids Arbeitstag war ein Hin und Her zwischen dem Büro in San Francisco, seinem Büro zu Hause, den Weinbergen und dem Weingut. Zählte man die Zeit dazu, die er mit den beiden Teenagern verbrachte, hatte er oft einen Vierzehnstundentag.
Und doch war er noch nie in seinem ganzen Leben glücklicher gewesen.
Bei Le Coeur hatte er die meiste Zeit am Schreibtisch verbracht. Gelegentlich war er auf Reisen gegangen, um dann auf der anderen Seite eines anderen Schreibtisches zu sitzen. Er hatte in einem Bereich gearbeitet, der ihm Respekt und ein gutes Gehalt einbrachte.
Aber er
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