Im Sturm des Lebens
hatte sich zu Tode gelangweilt.
Der tatkräftige Einsatz, der bei Giambelli-MacMillan von ihm erwartet wurde, machte jeden Tag zu einem kleinen Abenteuer. Er mischte jetzt in Bereichen der Weinherstellung mit, die früher für ihn
nur graue Theorie gewesen waren und nur auf dem Papier existiert hatten.
Vertrieb, Verpackung, Versand, Marketing. Und vor allem die Trauben selbst. Vom Weinstock auf den Tisch.
Und was für Weinstöcke! Kilometerweit erstreckten sie sich im Dunst des Tales. Die Mischung von Licht und Schatten. Und wenn in der Dämmerung der Frost auf ihnen schimmerte oder sie um Mitternacht im kühlen Schein des Mondes dalagen, empfand David das als reine Magie.
Wenn er durch die Reihen ging, die feuchte Luft einatmete und die Weinstöcke ihm ihre dünnen Arme entgegenreckten, kam er sich vor wie in einem Gemälde. Ein Gemälde, dem er mit ein paar kühnen Strichen seinen eigenen Stempel aufdrückte.
Es lag eine Romantik darin, die er hinter dem Stahl und dem Glas in New York ganz vergessen hatte.
Das Leben zu Hause lief immer noch nicht ganz glatt. Theo lehnte sich tagtäglich gegen die Regeln auf. David kam es so vor, als ob der Junge oft zerrissen war.
Wie der Vater, so der Sohn, dachte er. Aber das war kein besonderer Trost, wenn er sich mitten in der Kampfzone befand. Er begann sich zu fragen, warum ihn sein eigener Vater früher nicht einfach auf dem Speicher eingesperrt hatte, bis er einundzwanzig war.
Maddy war nicht viel einfacher. Die Idee mit dem Nasenring schien sie aufgegeben zu haben. Jetzt wollte sie Strähnchen im Haar. Es verblüffte ihn immer wieder aufs Neue, wie ein vernünftiges Mädchen so verrückt danach sein konnte, dumme Sachen mit seinem Körper anzustellen. Und er hatte keine
Ahnung, wie er sich in ein vierzehnjähriges Mädchen hineinversetzen sollte. Allerdings war er sich auch nicht sicher, ob er das überhaupt wollte.
Aber die beiden hatten sich immerhin eingelebt. Sie hatten Freunde gefunden und gewöhnten sich langsam an ihren neuen Rhythmus.
David fand es seltsam, dass keiner von ihnen etwas über seine Beziehung zu Pilar gesagt hatte. Normalerweise neckten sie ihn erbarmungslos mit seinen Freundinnen. Vielleicht nahmen sie ja an, der Kontakt zu Pilar habe etwas mit dem Geschäft zu tun. Umso besser.
Er erwischte sich dabei, wie er vor sich hin träumte – was ihm oft passierte, wenn er an Pilar dachte. Kopfschüttelnd setzte er sich aufrecht hin. Er hatte jetzt keine Zeit zu träumen. In zwanzig Minuten hatte er eine Sitzung mit den Abteilungsleitern und musste vorher noch seine Unterlagen durchgehen.
Da seine Zeit knapp bemessen war, war er auch nicht allzu erfreut über den Besuch der Polizei.
»Detectives, was kann ich für Sie tun?«
»Uns ein paar Minuten Ihrer Zeit schenken«, erklärte Claremont, während sich Maguire im Büro umsah.
»Ein paar Minuten kann ich gerade noch erübrigen. Setzen Sie sich doch.«
Große, gemütliche Ledersessel, stellte Maguire fest. In einem großen, gemütlichen Büro mit einem atemberaubenden Blick auf San Francisco. Der Raum wirkte äußerst männlich, mit der in Creme und Burgunderrot gehaltenen Einrichtung und dem glänzenden Mahagonischreibtisch.
Sie fragte sich, ob das Büro wohl dem Mann auf den Leib geschneidert worden war oder umgekehrt.
»Ich nehme an, Ihr Besuch hat etwas mit Tony Avano zu tun«, begann David. »Gibt es irgendwelche neuen Erkenntnisse in den Ermittlungen?«
»Der Fall ist immer noch nicht geklärt, Mr. Cutter. Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Mr. Avano beschreiben?«
»Wir hatten keine, Detective Claremont«, erwiderte David geradeheraus.
»Sie waren beide Topmanager im selben Unternehmen und haben beide hauptsächlich in diesem Gebäude gearbeitet.«
»Nur sehr kurze Zeit. Ich war noch nicht ganz zwei Wochen bei Giambelli, als Avano ermordet wurde.«
»In zwei Wochen konnten Sie sich doch sicher einen Eindruck verschaffen?«, warf Maguire ein. »Sie hatten Sitzungen, redeten über das Geschäft ...«
»Das sollte man meinen, nicht wahr? Aber ich hatte keine einzige Sitzung mit ihm, und wir haben nur ein einziges Gespräch geführt, das auf der Party am Abend vor seiner Ermordung stattfand. Es war das einzige Mal, dass ich ihn von Angesicht zu Angesicht gesehen habe, und da hatten wir wirklich nicht viel Zeit, um über geschäftliche Angelegenheiten zu sprechen.«
Sagt nichts über den Eindruck, den er von dem Opfer hatte, notierte sich Claremont. Aber dazu würden sie noch
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