Im Sturm des Lebens
Freundin arbeitet heute Abend.«
»Immer noch die Ärztin?«
»Ja.« Helen setzte sich auf die Samtchaiselongue und machte es sich bequem. »Ich habe langsam das Gefühl, es ist etwas Ernstes.«
»Und?«
»Ich weiß nicht ... Sie ist ein nettes Mädchen, guterzogen. Zielstrebig, was ihm nichts schaden würde, und unabhängig, was ich schätze.«
»Aber er ist dein Baby.«
»Aber er ist mein Baby«, stimmte Helen zu. »Manchmal fehlt mir der kleine Junge mit den aufgeschlagenen Knien und den losen Schnürsenkeln. Ich sehe ihn selbst noch in diesem großen, gut aussehenden Anwalt mit dem Dreiteiler, der nur noch Stippvisiten in meinem Leben macht. Und«, sie seufzte, »ich werde alt. Wie geht es denn deinem Baby so?«
Pilar legte die Bürste weg. »Du weißt schon, was Tony gemacht hat, oder?«
»Deine Mutter hielt es für das Beste, mich zu informieren, damit ich auf alle Eventualitäten eingerichtet bin. Es tut mir so Leid, Pilar!«
»Mir auch. Es war unnötig.« Sie drehte sich um. »Und sah ihm so ähnlich. Das denkst du doch auch, oder?«
»Es spielt keine Rolle, was ich denke. Außer, wenn ich merke, dass du dir Vorwürfe machst.«
»Nein, dieses Mal nicht. Und hoffentlich auch nie wieder. Aber es ist hart, sehr hart für Sophia.«
»Sie wird es schon verkraften. Unsere Babys sind zu selbstbewussten Erwachsenen geworden, ohne dass wir es gemerkt haben, Pilar.«
»Ich weiß. Und trotzdem können wir nicht aufhören, uns Sorgen über sie zu machen.«
»Muttersein hört eben nie auf. Als wir ankamen, ist Sophia gerade hinüber zu MacMillan gefahren. Ich habe Linc mitgeschickt, er lenkt sie ab.«
»Es ist immer so schön, sie zusammen zu sehen, fast wie Bruder und Schwester.«
»Mmmm. Und jetzt setz dich.« Helen klopfte einladend auf das Sofa. »Ich will alles über deine Romanze mit David Cutter hören. Schließlich bin ich seit über dreißig Jahren verheiratet, da muss ich mich am Leben anderer schadlos halten.«
»Es ist wirklich nicht ... wir sind einfach gern zusammen.«
»Kein Sex also?«
»Helen!« Pilar ließ sich auf die Chaiselongue fallen. »Wie soll ich denn Sex mit ihm haben?«
»Falls du vergessen haben solltest, wie es geht, kann ich dir einige gute Bücher zu dem Thema empfehlen. Und Videos oder Internetsites.« Die Augen hinter Helens Brille funkelten. »Ich gebe dir mal eine Liste.«
»Ich meine es ernst.«
»Ich auch. Es stehen ein paar heiße Sachen drin.«
»Hör auf.« Pilar musste lachten. »David ist bis jetzt sehr geduldig gewesen, aber ich bin nicht naiv. Er will Sex, und er wird sich nicht damit zufrieden
geben, mit mir auf der Veranda herumzuknutschen oder ...«
»Herumknutschen? Komm schon, Pilar! Details, alle Einzelheiten.«
»Sagen wir mal, er hat einen äußerst kreativen Mund, und wenn er ihn einsetzt, kann ich mich ganz genau daran erinnern, wie es mit zwanzig war.«
»Oh!« Helen wedelte sich mit der Hand Luft zu. »Und?«
»Aber ich bin nicht mehr zwanzig. Und mein Körper erst recht nicht. Wie könnte ich zulassen, dass er mich nackt sieht, Helen? Meine Brüste hängen in Richtung Mexiko.«
»Liebes, meine sind schon vor Jahren in Argentinien gelandet. James scheint es nicht zu stören.«
»Aber das ist doch genau der Punkt! Ihr seid jetzt fast dreißig Jahre zusammen. Ihr habt euch zusammen verändert. Und was noch schlimmer ist, David ist jünger als ich.«
»Schlimmer? Ich kann mir Schlimmeres vorstellen.«
»Versuch dich doch mal in meine Lage zu versetzen. Er ist dreiundvierzig. Ich bin achtundvierzig. Das ist ein großer Unterschied. Ein Mann in diesem Alter hat normalerweise jüngere Frauen, oft sogar viel jüngere Frauen mit straffen Körpern, wo nichts hängt.«
»Oft gepaart mit leeren Köpfen, die nicht denken«, erwiderte Helen. »Pilar, Tatsache ist, er geht mit dir aus. Und wenn du solche Komplexe wegen deines Körpers hast – was mich irritiert, wenn ich daran denke, was im Vergleich dazu aus meinem geworden ist – dann sorg dafür, dass beim ersten Mal das Licht aus ist.«
»Du bist wirklich eine große Hilfe.«
»Ja, das bin ich auch, denn wenn er sich von Brüsten abgestoßen fühlt, die nicht mehr zweiundzwanzig Jahre alt und straff sind, dann verschwendest du deine Zeit mit ihm. Also ist es besser, du findest das jetzt endlich heraus, statt nur über die Sache zu spekulieren. Willst du mit ihm schlafen? Ja oder nein?«, fragte Helen. »Hör auf deinen Bauch und denk nicht so viel.«
»Ja.«
»Dann kauf dir tolle
Weitere Kostenlose Bücher