Im Sturm erobert
als viele Menschen, die nur halb so alt waren wie sie. Arabella in die feine Gesellschaft einzuführen, war eine Aufgabe, die ihrem Temperament perfekt entsprach. Sie hatte jede Minute genossen, von der Auswahl der Gewänder und Handschuhe bis hin zu den machiavellischen Plänen, die nötig waren, um Einladungen zu ergattern.
»Keine Sorge, Tante.« Arabella lächelte. »Ich bin bereit, Mr.
Burnby zu empfangen. Beatrice und ich haben gerade eine gebundene Ausgabe ihres neues Buches bewundert.«
»Das Schloß der Schatten?« Winifred warf einen nervösen Blick auf das Buch. »Oh, ja, wie ich höre, liest es alle Welt. Ich schwöre, Beatrice, wenn es uns nicht gelingt, die Gelder zurückzukriegen, die Reggie an diese albernen Kunstgegenstände verschleudert hat, mußt du womöglich Arabella beibringen, wie man sich den Lebensunterhalt als Schriftstellerin verdient.« Beatrice faltete den Brief in ihrer Hand sorgfältig zusammen. »Ich bezweifle, daß das notwendig sein wird, Tante Winifred. Ich bin überzeugt, wir sind schon auf dem besten Weg, die Ringe zurückzukriegen.«
»Ich kann nur beten, daß du recht hast«, seufzte Winifred. »Ich weiß nicht, wie lange wir den Schein noch wahren können. Gott sei Dank haben wir deine Freundin Lucy, die Arabellas Kleider entwirft. Wir könnten uns keine andere Modistin leisten.«
Beatrice zog die Augenbrauen hoch. »Lucy Harby ist zufällig eine der gefragtesten Modistinnen in der Stadt.«
Arabella kicherte. »Du meinst Madame d’Arbois, nicht Mrs. Harby, nicht wahr?«
Beatrice lächelte. »Richtig.«
Arabellas Lächeln verblaßte. »Es ist doch einfach nicht fair, nicht wahr? Es ist offensichtlich, daß Lucy großes Talent im Entwerfen schöner Gewänder hat, aber wenn du nicht auf die Idee gekommen wärst, ihr einen französischen Namen zu geben, wäre sie vielleicht nie eine der exklusivsten und teuersten Schneiderinnen in London geworden.«
Beatrice zuckte die Schultern. »Wenn es um Angelegenheiten der Mode geht, darf man nie die Wichtigkeit eines französischen Akzents vergessen.«
»So ist der Lauf der Welt«, sagte Winifred. »Also, Arabella, vergiß nicht, daß du heute abend dein neues blaues Kleid tragen sollst. Es sieht aus, als hätte es ein Vermögen gekostet. Keiner darf auch nur eine Sekunde lang ahnen, daß Reggies Geld verschwunden ist.«
Arabella verzog das Gesicht. »Du machst dir zu viele Sorgen ums Geld, Tante.«
Winifred verdrehte die Augen. »Naives Kind. Es ist unmöglich, sich zu viele Sorgen ums Geld zu machen, wenn man keines hat. Ich schwöre, ich lebe in Angst und Schrecken, daß die Nachricht von unserem familiären Ruin zum Klatsch der Gesellschaft wird. Wenn das passiert, sind wir verloren. Hazelthorpes Erbe wird in Sekundenschnelle verschwinden.« Ein für sie ungewöhnliches, ärgerliches Blitzen funkelte in Arabellas Augen. »Das ist sehr kleinlich. Ich versichere dir, Pearsons Zuneigung zu mir wird sich nicht ändern, wenn er entdeckt, daß ich kein respektables Erbe mehr besitze.« Beatrice und Winifred sahen sich vielsagend an. Beatrice schüttelte kaum merklich den Kopf, eine Warnung an Winifred, die Sache nicht weiterzuverfolgen. Arabella war noch sehr jung. Es wäre schade, ihre süße, vertrauensselige Natur früher als notwendig zu zerstören.
Wie so viele andere Dinge, dachte Beatrice, ist Unschuld, einmal verloren, unwiederbringlich.
Mrs. Cheslyn, die mürrische, dürre Frau unbestimmten Alters, die Beatrice als Haushälterin diente, blieb in der Tür stehen.
»Verzeiht, Ma’am«, sagte sie mit lauter Stimme. »Mr. Burnby ist hier.«
»O je.« Winifred sah auf die Uhr. »Ein bißchen zu früh. Führen Sie ihn in den Salon, Mrs. Cheslyn.«
»Er ist fünf Minuten zu früh dran, um genau zu sein.« Mrs. Cheslyn runzelte grimmig die Stirn. »Mir hat man gesagt, er wird um drei erwartet.«
»Ja, ich weiß, Mrs. Cheslyn«, sagte Winifred mit beschwichtigender Stimme. »Aber seine Ungeduld ist ein gutes Zeichen.«
»Hören Sie, keiner kann von mir erwarten, daß ich diesen Haushalt ohne einen zuverlässigen Zeitplan ordentlich führe.« Mrs. Cheslyn drehte sich um und stolzierte den Gang entlang davon.
Arabella wandte sich mit strahlendem Lächeln zur Tür. »Pearson hat das Wochenende auf dem Land auf Marsbecks Landsitz verbracht. Er hat versprochen, mir alles darüber zu erzählen.«
»Lauf schon«, sagte Winifred. »Aber denk daran, kein Wort zu Mr. Burnby über diese Geschichte mit den Ringen. Wenn auch nur die
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