Im Sturm: Thriller (German Edition)
Kriegsziele beschränkt bleiben, was uns vor eine Reihe politischer Aufgaben stellt. Erstens müssen wir die Vereinigten Staaten in Sicherheit wiegen, damit die Operation sie unvorbereitet trifft und es für eine energische Reaktion zu spät ist. Zweitens muß der politische Zusammenhalt der Nato gelockert werden.« Der Außenminister erlaubte sich ein seltenes Lächeln. »Wie Sie wissen, arbeitet das KGB schon seit Jahren an einem solchen Plan, dessen endgültige Form nun feststeht. Lassen Sie mich ihn in groben Umrissen darlegen.«
Sergetow lauschte und nickte: über die Kühnheit des Vorhabens und auch, weil er nun eine neue Einsicht in das Kräftegleichgewicht in diesem Raum gewonnen hatte. Es steckte also das KGB dahinter. Das hätte er ahnen sollen. Doch ging der Rest des Politbüros mit dem Vorschlag konform? Der Minister fuhr fort: »Sie sehen also, wie das funktionieren würde: Ein Element ergänzt das andere, bis das Bild komplett ist. Unter diesen Voraussetzungen wären die Wasser gründlich getrübt, und wenn wir darüber hinaus noch erklären, die beiden unabhängigen Atommächte der Nato nicht direkt bedrohen zu wollen, ist das nukleare Risiko, wenngleich real, doch geringer als die Gefahren, die unserer Wirtschaft bereits drohen.«
Sergetow lehnte sich in seinen Ledersessel zurück. Da war es heraus: Krieg war besser als ein kalter Hungerfrieden. Die Würfel waren gefallen. Oder? Hatte eine Koalition anderer Mitglieder des Politbüros die Macht und das Prestige, die Entscheidung umzustoßen? Konnte er es wagen, gegen diesen Wahnsinn die Stimme zu erheben? Erst einmal war eine wohlüberlegte Frage zu stellen.
»Können wir die Nato denn besiegen?« Die glatte Antwortließ ihn frösteln.
»Selbstverständlich«, erwiderte der Verteidigungsminister. »Wozu haben wir denn eine Armee? Unsere Oberbefehlshaber sind bereits zu Rate gezogen worden.«
Und erst letzten Monat hast du mehr Stahl für neue Panzer verlangt, weil die Nato angeblich immer stärker wird, dachte Sergetow wütend. Was waren hier für Machenschaften im Gange? Hatte man wirklich schon die Fachleute vom Militär konsultiert, oder basierte das Ganze auf der vielgepriesenen persönlichen Erfahrung des Verteidigungsministers? Hatte sich der Generalsekretär von ihm ins Bockshorn jagen lassen? Wurden so Entscheidungen getroffen, von denen das Schicksal ganzer Nationen abhing? Was würde Lenin dazu sagen?
»Genossen, das ist der reinste Wahnsinn!« sagte Pjotr Bromkowski, der Älteste. »Gewiß, unserer Wirtschaft droht große Gefahr. Jawohl, auch der Sicherheit des Staates – doch sollen wir ihr mit einer noch größeren Gefahr begegnen? Bitte bedenken Sie, was geschehen kann – wann soll der Krieg denn beginnen, Genosse Verteidigungsminister?«
»Man hat mir versichert, daß unsere Armeen in vier Monaten bereit sind.«
»In vier Monaten also. Ich nehme doch an, daß wir in vier Monaten genug Treibstoff haben – genug, um einen Krieg anzufangen!« Petja war alt, aber nicht senil.
»Genosse Sergetow.« Der Generalsekretär drückte sich wieder um die Verantwortung.
Auf welche Seite sollte er sich schlagen? Der junge Kandidat kam zu einem raschen Entschluß. »Die Bestände an leichten Treibstoffen sind im Moment hoch«, mußte Sergetow zugestehen. »Wir bauen sie in den Wintermonaten, wenn der Verbrauch am niedrigsten ist, immer auf, und wenn man unsere strategischen Reserven hinzurechnet, ergeben sich fünfundvierzig ...«
»Sechzig!« beharrte der Verteidigungsminister.
»Fünfundvierzig Tage, das ist ein realistischerer Wert, Genosse.« Sergetow hielt seine Stellung. »Meine Behörde hat sich im Zug eines Programms zur Erhöhung der strategischen Reserven mit dem Treibstoffverbrauch von Einheiten der Streitkräfte befaßt. Durch Einsparungen auf anderen Sektoren und Opfer in der Industrie ließe sich eine Kriegsreserve von sechzig, vielleicht sogar siebzig Tagen aufbauen. Die kurzfristige Belastung für die Wirtschaft wäre nur gering, doch zur Mitte des Sommers würde sich das Bild rapide ändern.« Sergetow legte eine Pause ein und war betroffen, weil er sich der unausgesprochenen Entscheidung so leicht gefügt hatte. Ich habe meine Seele verkauft ... oder wie ein Patriot gehandelt? Bin ich so geworden wie die anderen hier am Tisch? Oder habe ich nur die Wahrheit gesagt – und was ist die Wahrheit? Fest stand nur, daß er überlebt hatte. Fürs erste. »Wie ich Ihnen gestern darlegte, sind wir in beschränktem Maß zu
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