Im Sturm: Thriller (German Edition)
selbst ihm klar wird, daß wir verloren haben? Was wird, wenn Männer, die sich in einer verzweifelten Lage befinden, die Verfügungsgewalt über Atomwaffen haben?«
In der Tat, was dann? dachte Sergetow und fügte zwei Fragen hinzu: Was soll ich tun? Was sollen wir tun?
Alfeld, BRD
Mackall stellte zu seiner Überraschung fest, daß die Russen nicht besonders schnell reagierten. In der Nacht hatte es Luftangriffe und heftigen Artilleriebeschuß gegeben, doch der erwartete Angriff der Bodentruppen war ausgeblieben; ein entscheidender Fehler der Russen. Es war Munition eingetroffen, so daß sie zum ersten Mal seit Wochen voll versorgt waren. Besser noch, eine Brigade deutscher Panzergrenadiere hatte die dezimierte 1. Panzer-Kavalleriedivision verstärkt, und auf diese Männer vertraute Mackall ebenso wie auf die Verbundpanzerung seines M-1. Im Osten und Westen hatten ihre Kräfte Verteidigungsstellungen in der Tiefe eingenommen. Vom Norden her vorstoßende gepanzerte Verbände konnten nun Alfeld mit weitreichenden Geschützen unterstützen. Pioniere hatten die russischen Brücken über die Leine repariert, und Mackall war im Begriff, mit seinen Panzern nach Osten zu fahren, um die mechanisierten Truppen, die die Trümmer von Alfeld hielten, zu verstärken.
Ein seltsames Gefühl, über die sowjetische Pontonbrücke zu fahren - komisch überhaupt, sich ostwärts zu bewegen! Mackalls Fahrer steuerte den Panzer nervös mit acht Stundenkilometer über die schmale, zerbrechlich wirkende Brücke. Drüben fuhren sie in nördlicher Richtung am Flußufer entlang, umrundeten die Stadt. Es war neblig, aus tiefhängenden Wolken fiel ein leichter Regen, typisches mitteleuropäisches Sommerwetter, das die Sichtweite auf knapp einen Kilometer reduzierte. Soldaten, die den Panzern vorbereitete Verteidigungsstellungen zuwiesen, empfingen sie. Zur Abwechslung hatten die Sowjets ihnen einmal geholfen: In ihrem permanenten Bemühen, die Straßen von Schutt zu befreien, hatten sie ordentliche, zwei Meter hohe Steinhaufen zurückgelassen, hinter denen sich Panzer vorzüglich verstecken konnten. Der Lieutenant stieg ab, um die Positionen seiner vier Panzer zu überprüfen, und besprach sich dann mit dem Chef der Kompanie Infanterie, die er unterstützen sollte. Am Rand von Alfeld hatten sich zwei Bataillone Infanterie tief eingegraben. Über sich hörte er das Jaulen von Granaten des neuen Typs, die Minen auf das nebelverhangene Schlachtfeld vor ihm warfen. Als er auf seinen Panzer kletterte, änderte sich das Geräusch: Die Geschosse waren im Anflug.
Stendal, DDR
»Hat viel zu lange gedauert, sie in Marsch zu setzen«, grollte Alexejew.
»Immerhin waren es drei Divisionen. Jetzt rollen sie«, erwiderte sein Operationsoffizier.
»Aber welche Verstärkungen sind eingetroffen?«
Der Offizier hatte Alexejew vor seinem Zangenangriff gewarnt, aber der General war nicht von seinem Plan abgewichen. Beregowoys Einser-Einheiten standen nun bereit, um von Westen aus vorzustoßen, und die drei Divisionen der Kategorie III schlugen von Osten aus zu. Den Panzerverbänden fehlte die Artillerie - dazu war der Vormarsch zu hastig gewesen –, aber dreihundert Panzer und sechshundert Mannschaftstransporter stellten an sich schon eine nicht zu verachtende Macht dar, dachte der General. Doch wogegen traten sie an, und wie viele Fahrzeuge waren auf dem Vormarsch bei Luftangriffen zerstört oder beschädigt worden?
Sergetow erschien.
»Wie war’s in Moskau?« fragte Alexejew.
»Finster, Genosse General. Wie verlief der Angriff?«
»Er beginnt gerade eben.«
»So?« Der Major war von den Verzögerungen überrascht und warf dem Operationsoffizier am Kartentisch einen scharfen Blick zu.
»Ich habe eine Nachricht vom Oberkommando für Sie, Genosse General.« Sergetow reichte ihm ein amtlich aussehendes Schreiben. Alexejew überflog es – und hörte zu lesen auf, verkrampfte kurz die Finger, ehe er die Selbstbeherrschung zurückgewann.
»Kommen Sie mit in mein Zimmer.« Der General sagte kein Wort, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte. »Sind Sie ganz sicher?«
»Ich habe es von Direktor Kosow persönlich gehört.«
Alexejew saß auf der Schreibtischkante. Er riß ein Streichholz an und verbrannte das Schreiben, sah zu, wie die Flammen das Papier verzehrten, bis sie fast seine Finger erreicht hatten.
»Dieser verfluchte Dreckskerl. Stukatsch! « Ein Spitzel bei seinem Stab! »Was noch?«
Sergetow gab wieder, was er erfahren hatte. Der
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