Im Sturm: Thriller (German Edition)
sich das Fernsehbild genau an. Die eine Leiche, die er erkennen konnte, wirkte erstaunlich klein, aber er schrieb das der Entfernung und der Perspektive zu.
»Dionna, wir haben es hier offenbar mit dem ersten schweren Terrorangriff in der Geschichte der Sowjetunion zu tun. Wie verlautete, wurde im Gebäude des Ministerrats eine Bombe zur Explosion gebracht. Ein Unfall ist ausgeschlossen. Fest steht, daß drei oder mehr Menschen ums Leben kamen und vierzig oder fünfzig verletzt wurden. Interessant ist, daß zum Zeitpunkt der Explosion eine Sitzung des Politbüros anberaumt war.«
»Heiliger Strohsack!« Toland stellte die Dose Rasierschaum auf den Nachttisch.
»Können Sie sagen, ob ein Mitglied des Politbüros unter den Toten oder Verletzten ist?« fragte Dionna McGee sofort.
»Nein. Erstens sind wir zu weit von der Unfallstelle entfernt, und zweitens fahren die Herren mit ihren Dienstwagen auf der anderen Seite des Gebäudes vor. Aber unserem Milizhauptmann entfuhr: ›Himmel, da ist das Politbüro drin.‹«
»Rich, wie ist die Reaktion in Moskau?«
»Läßt sich von hier aus nur schwer beurteilen. Die Kreml-Garde ist schockiert und verständlicherweise wütend, aber, das möchte ich betonen, ihr Zorn richtet sich nicht gegen Amerikaner. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß im Kreml eine Bombe explodiert ist; möglicherweise der Versuch, das Politbüro auszuschalten. Von der Polizei erfuhren wir, daß es mindestens drei Tote und vierzig bis fünfzig Verletzte gegeben hat. Weitere Berichte folgen, sobald neue Informationen vorliegen.«
»Sie sahen einen Exklusivbericht aus Moskau.« Dionna McGee lächelte. Dann verblaßte ihr Bild, und es folgte eine Bierreklame. Martha stand auf und schlüpfte in einen Morgenrock.
»Ich stell den Kaffee auf.«
»Heiliger Strohsack!« sagte Toland noch einmal. Zum Rasieren brauchte er länger als gewöhnlich und schnitt sich zweimal, weil er sich im Spiegel auf seine Augen und nicht auf sein Kinn konzentrierte.
Er zog sich rasch an und schaute bei seinen schlafenden Kindern herein, weckte sie aber nicht.
Vierzig Minuten später fuhr er mit offenen Wagenfenstern nach Süden und hörte Nachrichten. War im Kreml wirklich eine Bombe explodiert? Reporter unter Termindruck oder Fernsehleute auf der Jagd nach einem Knüller recherchierten oft nicht sorgfältig genug. War die Explosionsursache vielleicht eine undichte Gasleitung gewesen? Gab es in Moskau Gasleitungen? Sollte es wirklich eine Bombe gewesen sein, würden die Sowjets instinktiv annehmen, daß der Westen dahintersteckte, und eine höhere Alarmstufe auslösen. Und der Westen würde automatisch das gleiche tun, um für eine mögliche sowjetische Aktion gerüstet zu sein. Nichts Auffälliges, nichts Provokatives, vorwiegend eine Geheimdienst- und Aufklärungsaktion, für die die Sowjets Verständnis haben würden. Bei uns wurde dieses Szenarium schon öfters durchgespielt, sagte sich Toland und entsann sich verschiedener Anschläge auf amerikanische Präsidenten.
Und wenn sie uns nun doch die Schuld geben? fragte sich Toland. Ausgeschlossen, sie mußten doch wissen, daß niemand so verrückt sein konnte. Oder?
Norfolk, Virginia
Er fuhr weitere drei Stunden lang, wünschte sich, weniger Wein und mehr Kaffee getrunken zu haben, und ließ das Autoradio laufen, um wachzubleiben. Kurz nach sieben traf er ein und fand zu seinem Erstaunen Colonel Lowe an seinem Schreibtisch vor.
»Ich muß mich erst am Dienstag in Lejeune melden und dachte, fährst mal ins Büro und siehst dir die Sache an. Passen Sie auf, das ist der Gipfel.« Lowe hielt einen Bogen aus dem Fernschreiber hoch. »Wir haben vor einer halben Stunde bei Reuter mitgeschnitten und erfahren, daß das KGB einen Westdeutschen namens Gerhard Falk verhaftet hat und ihn beschuldigt, die Bombe im Kreml gelegt zu haben!« Lowe atmete tief aus. »Die hohen Tiere sind davongekommen, aber erwischt hat es offenbar sechs Junge Oktobristen, die dem Politbüro eine Präsentation machen wollten. Kinder! Passen Sie auf, jetzt ist der Teufel los.«
Toland schüttelte den Kopf. Schlimmer hätte es wirklich nicht kommen können. »Und man behauptet, es sei ein Deutscher gewesen?«
»Ein West deutscher«, korrigierte Lowe. Die Nato-Nachrichtendienste sind schon wild am Nachprüfen. Die offizielle sowjetische Verlautbarung nennt seinen Namen – Falk – und seinen Wohnort – ein Vorort von Bremen – und seinen Beruf; er hat eine kleine Export-Firma. Sonst nichts weiter,
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