Im Sturm: Thriller (German Edition)
hatte an alles gedacht, sann Edwards, als er den Motor des Jeeps anließ. Sogar an kugelsichere Westen.
Keflavik muß getroffen werden, sagte er sich. Jeder wußte das, bereitete sich darauf vor und versuchte, nicht daran zu denken. Dieser isolierteste Vorposten der Nato an der Westküste Islands stellte das verriegelte Tor zum Nordatlantik dar. Wenn der Russe einen Seekrieg führen wollte, mußte Island neutralisiert werden. Von Keflaviks vier Startbahnen operierten achtzehn Eagle-Abfangjäger, neun P-3C Orion zur U-Boot-Jagd und, tödlichste Waffe von allen, drei E-3A AWACS, die Augen der Jäger. Zwei waren im Augenblick in der Luft; einer kreiste zwanzig Meilen nordöstlich von Kap Fontur, der andere direkt über Ritstain, das 150 Meilen nördlich von Keflavik lag. Dies war höchst ungewöhnlich. Wenn nur drei AWACS zur Verfügung standen, war es schon schwer genug, eine Maschine permanent in der Luft zu halten. Der Befehlshaber der Streitkräfte auf Island mußte das Ganze sehr ernst nehmen. Edwards zuckte die Achseln. Wenn tatsächlich sowjetische Backfire-Bomber auf sie zuhielten, konnte er nichts weiter tun. Er war der neue Meteorologieoffizier des Geschwaders und hatte gerade seine Vorhersage abgeliefert.
Edwards stellte seinen Jeep auf dem Parkplatz eines Offiziers am Tower ab und beschloß, den 38er mitzunehmen. Die Anlage war nicht eingezäunt, und man konnte nie wissen, ob sich nicht jemand seine Waffe »ausborgte«. Auf dem Stützpunkt wimmelte es nur so von Marieneinfanteristen und Militärpolizisten der Air Force, die mit ihren M-16-Gewehren und den Handgranaten am Gürtel sehr martialisch aussahen. Er trottete die Außentreppe hoch und fand im Kontrollturm nicht wie gewöhnlich fünf, sondern acht Männer vor.
»Hi, Jerry«, sagte er zum Chef, Lieutenant Jerry Simon von der Navy. Von den zivilen Fluglotsen, die sonst hier arbeiteten, war keine Spur zu sehen.
»Morgen, Mike«, witzelte Simon zurück. Es war 3 Uhr 15 Ortszeit. Schöner Morgen. Die Sonne war schon aufgegangen und schien grell durch die Jalousien an den geneigten Fenstern.
»Wie sieht’s aus?« fragte Edwards und trat an seine meteorologischen Instrumente.
»Beschissen!« erklang es im Chor.
»Schön, daß wir alle das Gleichgewicht behalten«, merkte Edwards an. Der kleine, knochige Offizier war sofort nach seiner Ankunft vor zwei Monaten von allen akzeptiert worden. Er stammte aus Eastpoint in Maine und hatte die Akademie der Luftwaffe absolviert, durfte aber als Brillenträger nicht fliegen. Seine äußere Erscheinung — einsfünfundsechzig groß, 55 Kilo leicht — flößte niemandem Respekt ein, doch sein ansteckendes Grinsen, sein unerschöpflicher Vorrat an Witzen und seine anerkannte Fähigkeit, den wirren Witterungsverhältnissen überm Nordatlantik einen Sinn zu entnehmen, bewirkten, daß in Keflavik jeder gerne mit ihm umging.
»MAC Flug fünf-zwei-null, roger. Roll man los Dicker, wir brauchen Platz«, sagte ein müder Lotse. Einige hundert Meter entfernt begann ein riesiger Transporter C-5A Galaxy auf Startbahn eins-acht zu beschleunigen. Edwards sah durch ein Fernglas zu. Man gewöhnte sich nur schwer daran, daß ein solches Monstrum tatsächlich flog.
»Irgendwelche Nachrichten?« fragte Simon Edwards.
»Seit der Meldung aus Norwegen nichts. Viel Aktivität auf Kola«, erwiderte Edwards und machte sich wieder ans Kalibrieren seines Digitalbarometers.
Angefangen hatte es vor sechs Wochen. Die auf einem halben Dutzend Stützpunkte um Seweromorsk stationierten Marineflugzeuge und Langstreckenbomber hatten fast kontinuierlich geübt und Missionen mit Angriffscharakter geflogen. Dann hatte vor zwei Wochen die Aktivität plötzlich nachgelassen. Das war ein unheilverkündender Aspekt: Erst wurden alle Besatzungen bis zur Perfektion gedrillt, dann folgte eine Wartungs- und Instandsetzungsperiode, in der sichergestellt wurde, daß alle Instrumente und Flugzeuge voll einsatzbereit waren. Und was trieben die Russen nun? Flogen sie einen Angriff gegen Bodø in Norwegen? Oder vielleicht gegen Island?
Edwards nahm einen Blockhalter und bestätigte mit seiner Unterschrift, die tägliche Überprüfung der Instrumente im Tower vorgenommen zu haben. Die Aufgabe hätte er auch einem Techniker überlassen können, doch diese Mannschaftsgrade unterstützten die Flugzeugmechaniker des Jägergeschwaders, und er konnte es selbst übernehmen. Zudem hatte er so einen Vorwand, den Kontrollturm zu betreten, und –
»Mr. Simon«, sagte
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