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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Hause bei zugezogenen Vorhängen.
    Wanda schaute ihr in die Augen und befand, dass die Frau so abwesend wirkte, weil sie abwesend war – vermutlich versteckte sie sich hinter einem Schleier aus Pillen und Daiquiri.
    »Was darf’s sein, Schwester?«, fragte der Bartender.
    »Ein Bier vom Fass.«
    Der Bartender war ein stämmiger alter Ganove in einem sauberen weißen Hemd mit roter Fliege. Als er das Bier vor Wanda abstellte, sagte er: »Entschuldigen Sie die Frage, Ma’am, aber sind Sie ’ne Lesbe?«
    »Was geht dich das an?«
    »Würde mir das Herz brechen.«
    »Ich seh mir die Frau da aus reiner Langeweile an – mein Fernseher ist kaputt.« Wanda nahm einen Schluck Bier. »Mmm, schön kalt. Ist Leon da?«
    »Leon? Leon?« Der Bartender presste die Hand aufs Herz und stolperte rückwärts, als hätte er einen Anfall. »Sie hören wohl erst auf, wenn Sie mir wirklich das Herz gebrochen haben, was?«
    Wanda lächelte ihm freundlich zu. Immerhin hatte er für sein Alter ganz schön Mumm.
    »Er ist nur ein Freund«, meinte sie mit einem affektierten Lächeln, den Blick sittsam gesenkt. »Ich vögle bloß mit älteren Bartendern. Ist er da?«
    »Älter? Mein Kind – Sie sind grausam.« Der Bartender deutete auf einen Hängeboden gut drei Meter über der Eingangstür, wo die Anlage aufgebaut war. »Er ist irgendwo da oben und legt auf. Nach dieser Nummer ist er fertig, weil das Mädchen Pause hat.«
    Während sie auf das Ende der Musik wartete, ließ Wanda ihren Blick durch den Rio, Rio Club wandern, um sich unauffällig die Räumlichkeiten einzuprägen. Im Grund war es nichts weiter als eine Scheune, nur eine Tür, hinten links, schien interessant. Wanda glaubte, hinter dem Blues ein Hämmern zu vernehmen, und dann verstummte die Musik, und jetzt hörte man das Geräusch ganz eindeutig. Hinter der interessanten Tür wurde gehämmert.
    »Hey, Wanda, ich hab dich reinkommen sehen«, sagte Leon Roe. Er setzte sich auf den Barhocker neben ihr. »Willst du ein Bier? Ich spendier dir eins.«
    »Ich hab schon eins.«
    »Brauchst du nicht zu bezahlen.«
    »Danke, Leon.«
    Leon hatte ein schmales Gesicht, und seine fettglänzende Stirn wurde von einer gepflegten Locke säuberlich in zwei Hälften geteilt. Er wirkte ein bisschen gehemmt, kleidete sich aber wie ein Rodeo-Star, der ein modebewusstes Publikum anlocken will. Sein violettes Westernjackett hatte schwarze Paspeln, und das eierschalfarbene Hemd zierte eine schmale blaue Schnurkrawatte, die von einer spinnenartigen, türkisfarbenen Brosche zusammengehalten wurde. Erst vor Kurzem hatte Leon ziemlich viel Geld für ein Paar Stiefel aus Schlangenleder ausgegeben, und er trug eine jener silbernen Gürtelschnallen, auf denen man sich zu seinem Lieblingsbier bekennt.
    »Tja, also«, sagte er und wurde ein bisschen rot, »was hast du so gemacht in letzter Zeit?«
    »Alles Mögliche. Eigentlich ’ne ganze Menge«, antwortete Wanda.
    »Oh.« Leon grinste. Er fand Wanda unglaublich attraktiv und aufregend, und jetzt betrachtete er sie wie immer mit der Faszination eines Kindes, das sich die Nase an einer Fensterscheibe plattdrückt. »Warst du schon mal hier?«
    »Nein. Ziemlich billiger Schuppen, oder?«
    »Na ja«, meinte Leon. »Find ich auch, aber ich bin bloß hier, um was zu lernen. Ich will ins Showgeschäft.«
    »Das nennst du Showgeschäft?«
    »Es ist ein Anfang, der erste Schritt. Elvis ist auch erst Lastwagen gefahren.«
    Wanda sah, dass aus der interessanten Tür ein paar Arbeiter kamen. Sie legte Leon die Hand auf den Schenkel.
    »Ich brauch ’nen Job«, sagte sie und sah ihm tief in die Augen. »Kannst du mir helfen?«
    »Hier? Willst du etwa hier arbeiten, Wanda? Ich kann dir doch was leihen«, sagte er. »Wir sind schließlich Nachbarn. Das ist gar kein Problem.«
    »Ich will lieber selbst was verdienen.«
    Leon studierte die Spitzen seiner Schlangenstiefel.
    »Hier geht’s doch nur um nackte Haut«, wandte er ein. »Manchmal ist das ziemlich geschmacklos.«
    »Hab ich gemerkt«, meinte Wanda. »Aber mit mir würde das Niveau gleich steigen. Meinst du nicht, ich würde klasse aussehen im Evakostüm, Leon?«
    » O Gott«, seufzte er. »Du würdest viel zu klasse aussehen – viel zu gut für diesen Schuppen.«
    Sie tätschelte seinen Schenkel und griff ihm ganz leicht, wie zufällig, mit der Hand zwischen die Beine. Er ist so leicht zu manipulieren, dachte sie, im Grunde passt er überhaupt nicht in dieses Nachtschwärmermilieu. Er ist der Typ, der bei

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