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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Spielchen?«
    »Hast du den Tisch präpariert oder was?«
    »Würd ich dir das antun?«, fragte Piroque mit gespieltem Entsetzen.
    »Du würdest es dir sogar selber antun, wenn du gegen dich selbst spielen könntest.«
    Shade ging zwischen den Tischen durch, nickte denjenigen zu, die ihm zunickten, sagte zweimal Hallo und wurde einmal so lange angestarrt, bis er wegsah.
    »Neuner?«, fragte Piroque, als sie beim Tisch waren.
    »Wenn du drauf bestehst«, antwortete Shade. »Da könntest du mir dein Geld auch gleich schenken.«
    Piroque beugte sich über den grünen Tisch, die Zunge im Mundwinkel, und platzierte sorgfältig die Kugeln.
    »Das wollen wir mal sehen!«, brummte Piroque.
    »Umso besser«, meinte Shade. Er war breitschultrig, besaß einen dunklen Teint und eine chronische Fitness, war nicht mehr jugendlich, aber immer noch jung, und seine blauen Augen strahlten bei der Aussicht auf einen harten Wettkampf. »Für so was lohnt sich das Leben auf diesem Planeten wenigstens noch.«
    Ein paar Minuten nach ein Uhr nachts betraten zwei uniformierte Streifenbeamte die Catfish Bar. Der eine war schwarz und fast einen Kopf größer als sein Partner. Als sie sich dem Tresen näherten, dämpften sich die lebhaften Gespräche zu einem Flüstern und verstummten schließlich ganz. Die Polizisten versuchten, den Blicken der Gäste standzuhalten, um zu demonstrieren, dass sie die Situation im Griff hatten. Aber sie merkten bald, dass zwei Augenpaare gegen dreißig wenig ausrichten konnten, dass ihre aufrechte Haltung und ihre verkrampfte Selbstsicherheit keineswegs wie kühle Überlegenheit, sondern lediglich lächerlich wirkten.
    Der Barkeeper stand mit verschränkten Armen da, die Oberlippe unter die Unterlippe geschoben – die personifizierte Kampfansage.
    »Hey, Shade«, rief der untersetzte Beamte. »Ist dein Bruder da?«
    Tip grinste und deutete mit einer Kopfbewegung in den hinteren Teil des Raums.
    »Da hinten ist er«, verkündete der schwarze Polizist. »Am Pooltisch.«
    Shade stützte sich auf seinen Queue, während er den Aufmarsch der blauen Aliens beobachtete. Er warf einen kurzen Blick auf die Billardkugeln und wandte sich dann den Männern zu. Bevor sie etwas sagen konnten, meinte er: »Noch eine Runde, und ich hab ihn in der Tasche.«
    Der kleinere Beamte schüttelte den Kopf. »Captain Bauer sagt, jetzt gleich.«
    Piroque setzte zum Stoß an und vermasselte mit einer zu stark angeschnittenen Kugel eine mögliche Sechs-Neun-Kombination. Dann richtete er sich auf, rieb die Queuespitze mit Kreide ein und grinste Shade an.
    »Du kannst ja aufgeben«, schlug er vor. »Wenn die Pflicht ruft.«
    »Nein«, sagte Shade.
    Er trat an den Tisch, kalkulierte seine Chancen und beugte sich vor. Mit dem linken Arm, auf dem sich die drahtigen Muskeln strafften, setzte er zum Stoß an. »Die Sechs«, sagte er und versenkte die Kugel in der Tasche, wobei der Spielball zur Fußbande rollte.
    »Der Captain wartet«, wandte der kleine Mann ein. »Was kostet dich das hier?«
    »Nichts«, erklärte Shade. Er hatte einen Plan, und zu diesem Plan gehörte eine Stoppballkombination. »Sieben – Neun. In die Ecke – damit ich Zeugen habe, falls ich es schaffe.« Er machte sich für den Stoß bereit, stieß den Spielball direkt, und schaute zu, wie die Sieben über den Tisch rollte und dann genau das tat, was sie tun sollte – sie traf die Neun, und diese rollte langsam in die Tasche.
    Shade wandte sich Piroque zu, der bereits die Brieftasche zückte.
    »Lass nur, Wendell. Kauf deinem Sohn ein Modellflugzeug.«
    »Nee, nee.« Piroque schüttelte den Kopf. »Wer verliert, muss auch löhnen.« Ohne viel Getue reichte er Shade einen Fünf-Dollar-Schein. »Du spielst gut, Shade. Muss ich zugeben. Aber ich muss dir trotzdem sagen, dass du deinem Alten nicht die Kreide reichen kannst, weißt du?«
    »Danke, Wendell«, brummte Shade.
    »Detective«, sagte der gesprächige Polizist, trotzig mit dem Fuß aufstampfend, um sich endlich Gehör zu verschaffen. »Das dauert viel zu lange.«
    Shade folgte den Uniformierten in Richtung Tür. Er registrierte die allgemeine Stille und spürte Tips wütenden Blick auf sich. An der Bar winkte Tip ihn mit dem Finger zu sich heran.
    »Was gibt’s?«, fragte Shade.
    Tip beugte sich vor und ließ drohend die Armmuskeln spielen. »Deine neuen Freunde müssen leider draußen bleiben!« Tips grobschlächtiges, pockennarbiges Gesicht verriet keinerlei Emotion, aber seine braunen Augen waren kalt vor Wut.

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