Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
Vom Netzwerk:
Geheimnis, richtig, Jewel?«, sagte Duncan. »Deine kleine Nutte weiß nichts davon, oder?«
    »Soll das ein Witz sein oder was?«
    Duncan ging auf Jewel zu und gab ihm einen kräftigen Klaps auf die Schulter.
    »Dann sind wir uns ja einig. Wie wär’s? Geh doch zum Auto und hol den Rest von deinem Bier. Wir müssen das begießen.«
    »Klar«, meinte Jewel und ging den Holzsteg zum Auto zurück.
    Duncan und Ledoux sahen ihm nach. Als die Innenbeleuchtung des Mercury anging, stieß Ledoux Duncan an.
    »Er ist dein Vetter – ist das ein Problem für dich?«
    »Nein«, antwortete Duncan kopfschüttelnd. »Er ist ein Arschloch.«
    Ledoux stapelte die ausgenommenen Fische aufeinander, um sie ins Haus zu tragen.
    »Ausgezeichnet«, sagte er. »Wir müssen pünktlich sein, und ich glaube, der Depp ist gerade dumm genug, um abzudrücken, wenn wir’s ihm sagen.«
    »In puncto Dummheit kannst du dich auf ihn verlassen«, meinte Duncan, als er Jewel den Steg herunterkommen sah. »Wenn’s ’nen Versandkatalog für Deppen gäbe, könntest du dir keinen besseren bestellen. Ich glaub, der Schwachkopf ist genau der Richtige für uns.«

2
    Detective Rene Shade saß in schwarzem T -Shirt und Jeans lässig auf einem Hocker in der Ecke von Tip’s Catfish Bar und beobachtete die Gäste. Er sah Männer mit roten Gesichtern, die mit ihren Zigaretten wild in der Luft herumfuchtelten; Männer mit zusammengekniffenen Augen, die sich in die Nischen verzogen hatten, deren Köpfe beruflich bedingt zuckten und sich zur Seite neigten; grauhaarige Männer mit Fäusten, so schwielig wie alte Baumwurzeln, und mit stummen, klugen, unerschrockenen Gesichtern. Frauen fanden sich hier nur selten ein, ängstliche Männer nie.
    Shades Bruder war der Besitzer dieser Bar, und auch das beschäftigte ihn. Auf der Wache hatte es für ihn schon einige peinliche Situationen gegeben, als er zugeben musste, dass Tip Shade, der die Catfish Bar schmiss und Umgang mit Gangstern, Dieben und deren Freunden pflegte, tatsächlich sein älterer Bruder war. Er hatte versucht zu erklären, dass die Bar das Zentrum des Viertels war, in dem sie aufgewachsen waren, und die Stammgäste seien zuerst und vor allem Nachbarn und erst an zweiter Stelle eine Gefahr für die Öffentlichkeit. Es lief alles auf persönlicher Basis, und da war es gar nicht so eindeutig, wo man die Grenze ziehen konnte oder überhaupt sollte. Solche Erklärungen klangen in den Ohren von Shades Vorgesetzten verdächtig nach metaphysischer Spinnerei. Zumal sein Vater John X Shade eine regionale Legende war und sich unter Menschen bewegte, die er selbst Sportfreunde nannte, die andere jedoch genauso hartnäckig als Glücksspieler bezeichneten.
    Die Bar war ein grober Holzbau auf einem Hügel mit Blick über den Fluss. Eichenbalken stützten das Dach, und Fischernetze mit Korkschwimmern, ein verwirrend raffiniertes Dekorationselement, hingen zwischen den Balken herunter. Die Stühle und Tische waren aus Holz und knarzten vom ständigen Gebrauch. An den Wänden hingen Sporturkunden und Fotos von Lokalchampions, und hinter der Bar prangte ein großes Wandgemälde. Darauf war Tip in Footballmontur zu sehen, wie er gerade ansetzte, mit seinen zweihundertzwanzig Pfund einen dürren, spinnenbeinigen Halfback zu rammen; wie er einen abgefangenen Ball in der Endzone hochhielt; und wie er einen schockierten Fullback, den er an der Ein-Yard-Linie zu Fall gebracht hatte, drohend anfauchte.
    Daneben hingen ein Mannschaftsbild der Saint Bruno Pirates, einer Baseballmannschaft der Regionalliga, und ein kleines Foto von Eldon Berenger, der eine Basketball-Saison in der Continental League gespielt hatte. Außerdem Konterfeis von diversen Boxern. Auf der Rückseite eines dicken Eichenpfeilers befand sich ein kleines Foto von Rene Shade, wie er, die Hände mit den Boxhandschuhen triumphierend erhoben, in den vielversprechenden Anfangstagen seiner inzwischen ausgeträumten Karriere einen Sieg feierte. Neben dem Eingang befand sich ein großes Bild von Shade, das gegen Ende jenes Abends aufgenommen worden war, an dem der Halbschwergewichtchampion Foster Broome ihn mit einer Serie linker Haken durch den Ring gejagt hatte, bis sein Gesicht aufgeplatzt und sich bis zur Unkenntlichkeit verformt hatte, als könnte es dadurch weiteren Schlägen ausweichen. Wenn Shade die Bar betrat, konnte er dieser Erinnerung an eine beinahe ruhmreiche Vergangenheit nicht entgehen, und es drehte sich ihm jedes Mal der Magen dabei um. Das Bild

Weitere Kostenlose Bücher