Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
übertölpeln konnte; ein Hoffnungsträger der Demokratischen Partei auf Erfolgskurs, da die Einwohner von Pan Fry jetzt tatsächlich wählten und nicht mehr nur ihr Kreuzchen dahin machten, wo man’s ihnen sagte, und ansonsten den Mund hielten. Alvin Rankin hätte der erste schwarze Bürgermeister von Saint Bruno werden können, das wusste Blanchette. Motiv Nummer eins in blinkender Neonschrift. Das Banner des sozialen Fortschritts wehte in Saint Bruno nicht an der Spitze einer solidarischen Masse, und dies hier war schon immer eine Stadt bösartiger Unterstellungen und unvereinbarer Standpunkte gewesen. Typisch für die Bürger von Saint Bruno war eine unangenehme Mischung aus ererbtem Stolz, selbstsüchtiger Härte und opportunistischer Ignoranz. Deshalb waren die jüngeren Generationen kaum weniger engstirnig als die Generation, welche die Steine gelegt hatte, die noch heute die Straßen pflasterten.
Blanchette starrte in das Zimmer, in dem Rankins Zukunft eine unerwartete Wendung genommen hatte. Ja, er hätte es schaffen können, dachte Blanchette. Nicht heute und nicht morgen, aber mit fünfzig oder vielleicht mit fünfundfünfzig. Jetzt war ein anderer dran.
Am Zigarrenende hatte sich ein Aschedaumen gebildet, den Blanchette auf den Teppich schnippte und dann mit dem Fuß verrieb. Er blickte sich um und fühlte sich von den vielen Kunstgegenständen und dem modischen Schnickschnack ziemlich eingeschüchtert. Für die meisten Sachen hätte er noch nicht einmal die Bezeichnung gewusst. Tolle Wohnung für einen Schwarzen, der nie ausgezogen war, um irgendwo mit Fistelstimme zu singen oder Bälle durch Reifen zu werfen. Um in seiner Heimatstadt so weit zu kommen, musste er sich ganz schön ins Zeug gelegt haben.
Als Shade endlich ankam, erhob sich Blanchette.
»Gut, dass du da bist, Shade. Hoffentlich hab ich dich nicht bei was Wichtigem gestört. Zum Beispiel bei ’ner Verabredung mit deiner knackigen Brünetten, die sich bewegt, als wär ihr Rücken aus Gummi. Wie war doch gleich ihre Adresse?«
Shade ging wortlos an Blanchette vorbei und betrat das Arbeitszimmer.
Beim Anblick von Rankins Leiche wurde er einen Moment schwach in den Knien. Sehr unprofessionell, wie ihm bewusst war, aber die schockierende Reglosigkeit einer Leiche war etwas, woran er sich nicht gewöhnen konnte. Dass er Rankin gekannt hatte, verschlimmerte die Sache.
»Die sind auf Nummer sicher gegangen, was?«, sagte er.
»Stimmt«, brummte Blanchette. Sein aggressiver Watschelgang hatte trotz der Körperfülle eine gewisse Grazie. »Zwei Kugeln – peng, peng – in den Hinterkopf. Das ist in der Regel todsicher.«
»Wer hat ihn gefunden?«
»Seine Frau und seine Tochter. Sie sind bei Nachbarn.«
»War Bauer hier?«
»Er ist gerade gegangen. Muss dem Bürgermeister Händchen halten, damit der keine Albträume kriegt.«
Shade inspizierte das Zimmer, wobei er den Fotografen und die Fingerabdruckspezialisten geschickt umging.
»Sauber, sauber«, murmelte er. Seine langen, braunen Haare waren aus der Stirn gekämmt, und er fuhr sich mit der Hand über den Kopf, wie er es immer tat, wenn er nachdachte. »Muss ein Freund gewesen sein.«
»Freund ist ’ne ziemlich gewagte Definition für einen, der dir zwei Kugeln in den Hinterkopf jagt.«
»Aus nächster Nähe«, meinte Shade. »In seinem Arbeitszimmer, beim Fernsehen. Die haben sich gekannt. Und zwar so gut, dass Alvin in seiner Gegenwart ganz entspannt war. Oder in ihrer.«
Blanchette hob die Fernsehzeitung auf und blätterte darin.
»Ich würde sagen, er wollte gerade umschalten«, sagte er. »Er ist erst seit ’ner Stunde tot, höchstens seit zwei, würde ich vermuten. Und nach dem, was seine Frau sagt, kommt das ungefähr hin.«
Shade hörte nur halb zu. Alvin Rankins Haus, sein Tod, seine reglose Leiche – all das ließ Shade an den Rankin denken, den er seit seiner Jugend bewundert hatte. Shade war zwar um einiges jünger, erinnerte sich aber deutlich an den mutigen Teenager Alvin Rankin, der sich ganz allein auf die Reise von Pan Fry zum Fluss und nach Frogtown begeben hatte. Er hatte den Boys von Frogtown einen Vorschlag gemacht: Wenn wir aufhören, aufeinander einzudreschen, dann sitzen uns auch nicht dauernd die Bullen auf der Pelle. Wir haben mehr Bewegungsfreiheit, versteht ihr, und dann können wir in Ruhe unsere Geschäfte machen. Der Sadat von Pan Fry hatte eine Vision und den Mumm, sich für sie einzusetzen. Shade war sehr beeindruckt. Selbstverständlich
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