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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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du noch immer bei den Cops?«
    »Schwer zu sagen.«
    »Schwer zu sagen? Was soll denn das heißen?«
    Tip grinste und griff ein: »Das soll heißen, dass einige von den Jungs in Blau plus einige von den Herrschaften mit den Brillanten am kleinen Finger auf das kleine Brüderlein hier nicht gut zu sprechen sind.«
    »Ach. Das ganze Pack steht mir persönlich auch bis hier«, sagte John X. »Aber ich nehme an, gesund ist das nicht für dich, Rene.«
    »Die wissen, wo sie mich finden können.«
    John X deutete auf die frische rosa Narbe über Shades Braue. »Was ist denn da passiert?«
    »Bisschen Ärger.«
    »Bisschen Ärger, hm? Hoffe, du kriegst das bezahlt.«
    »Leider nicht.«
    »Criminentlies.« John X schüttelte traurig den Kopf »Das muss ich erst mal sacken lassen. Wenn du Ärger haben willst, Sohn, dann solltest du dir welchen suchen, der dir Profit bringt, nicht nur Selbstverwirklichung. Vergiss das nie.«
    Das Männertrio lachte, und es wurde rundherum nachgeschenkt. An der Wand direkt über dem Tisch hing ein gerahmtes Foto von Willie Hoppe und Welker Cochran, die bei der Meisterschaft im Drei-Band-Billard von ’39 mit Queues in der Hand höhnische Blicke austauschten. Als das Gelächter abklang, sah John X hinauf zu dem Bild und sagte: »Teufel auch, Willie, Welker, ich krieg rein gar nichts mehr ins Loch, hört ihr?«
    Gretel kam vom Flipper zurück und stellte sich hinter Tip. Sie sah über die Schulter zu Etta. »Das Mädchen macht den Automaten fertig.«
    »Kann ich mir vorstellen«, sagte John X.
    »Sie haben echt ’ne angenehme Aura«, meinte Gretel.
    »Hab ich die? Was ist denn angenehm daran?«
    Sie richtete ihr ganzes Augenmerk auf den alten Mann.
    »Na ja, die Farbe. Sie haben einen lila Randschimmer, Mr. Shade, und das lässt hoffen.«
    Niemand reagierte mit einer hörbaren Äußerung, und sie stand einen Augenblick bedeutungsvoll da. Dann sagte sie: »Ich muss langsam nach Hause zu Mrs. Carter. Nett, Sie kennengelernt zu haben.«
    »Ich bring sie rau s«, sagte Tip. »Ich denk, ich ruf dann auch François an. Und hol uns noch ’ne Flasche.«
    Tip und Gretel stapften davon, und Shade betrachtete stumm das Gesicht seines Vaters, ein Gesicht, das ihn weit in die Vergangenheit verschleppte. Samstagabends in den Jahren, als John X noch daheim lebte, wenn Familienleben und Schnapskonsum zusammenwirkten und ihn in Überschwang versetzten, pflegte er seine drei Jungs auf den engen Vordersitz seines bereits damals altersschwachen, projektilförmigen 51er Ford zu packen und dann neben sie zu rutschen, hinters Steuer. Schulter an Schulter, Hüfte an Hüfte fuhren sie durch Frogtown. Daddy hatte immer sechs Dosen Bier eingepackt, und die Jungs schnappten sich abwechselnd den Dosenöffner, der am Rückspiegel hing, und stanzten mit größtem Vergnügen für ihn, den Mann am Steuer, Löcher in die Dosen. Unweigerlich kreuzten sie in der Voltaire Street auf, wo die Bars und die Billardsalons waren und die harten Burschen rumhingen. Als er eines Tages eine Gruppe von ihnen an der Straßenecke sah, sagte John X: »Jungs, ich werd euch zeigen, was euer Daddy alles draufhat. Ich werde jetzt an der Halunkenhorde da vorbeifahren, und ich werde sie allesamt, wie sie da sind, Arschlöcher nennen, und die werden nur lächeln und mir zuwinken.« Und dann, die Jungs mit großen Augen und voller Angst, streckte er Kopf und Arm zum Fenster raus, in der Hand sein Bier, drückte auf die Hupe und rief: »He, ihr Arschlöcher!«, verschmolz dabei die Silben übermütig zu einem einzigen langen, unverständlich gelallten Ausruf: »Hejehjihraraschlöhöchhehr!« Die Shade-Brüder starrten stieläugig auf die Typen mit ihren Entenschwanzfrisuren, die sich umdrehten, den Wagen musterten und ihren alten Herrn dann tatsächlich anlächelten und ihm »Johnny« nachriefen. Die Shades machten sich seitdem ihren ganz persönlichen Spaß daraus, mit lächelndem Gesicht Ganoven auf diese Art anzupöbeln, rotlippige Huren, hammerharte Bullen, Diebe aller Altersklassen und stadtbekannte Killer; schließlich kriegten sie Greg und Slick Charbonneau, Bürgermeister Yarborough, die Second Street Stompers, zwei der Carpenter-Brüder und bei einer Gelegenheit sogar Mr. B. dazu, freundlich die Hand zu heben, um ihre Begrüßung zu erwidern. Keiner fühlte sich je beleidigt, wenn John X die gefährlichsten Typen von Frogtown beschimpfte, und wenn sie dann weiterfuhren, rammte er unweigerlich dem Sohn, der direkt neben ihm saß, einen Ellbogen

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