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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Sein gedrungener Körper war großzügig mit ähnlichen Machwerken geschmückt, und wenn sein Interesse an solcherlei Kunstausübung auch gelegentlich zu Infektionen geführt hatte, so hatte es ihm auch viele unauslöschliche Erinnerungen beschert.
    Die Zigarette war bis auf den Filter runtergebrannt, und Lunch schnippte sie weg. Er fuhr sich mit der Hand durch die schweißfeuchten roten Haare, und gleich standen sie in kurzen Stacheln zu Berge. Er drehte sich um und sah zu, wie Dolly die Nase in das angerichtete Koks steckte und eine Schweineportion wegrüsselte.
    »Mmmm«, machte sie, und ihre Augen glänzten.
    »Ah- ha «, sagte Lunch. Verwundert, wie simpel gestrickt sie war, schüttelte er den Kopf. Sie schien zu glauben, er sei nichts als ein komischer Vogel, leicht ordinär, aber ganz nett, aber sie sollte lieber die Augen etwas weiter aufmachen, echt. Sie sollte die Augen aufmachen, und zwar schleunigst, und sehen, dass ein paar ganz hässliche Eigenschaften in ihm steckten.
    Sie strahlte noch immer, als die Eingangstür zuschlug.
    Ihre Augen fingen zu an kreisen, und sie sah nervös zu Lunch, der seelenruhig verkündete: »Das dürfte wohl dein Mann sein.«
    Sie brach in ein langgezogenes panisch schrilles Winseln aus, und bevor das verklungen war, stand Rodney Chapman in der Tür. Er hielt eine leere Weinflasche wie einen Knüppel in der Hand, und diese Hand zitterte. Er starrte sie eine nicht enden wollende Sekunde lang an, stöhnte und drehte sich abrupt zur Seite. Durch die Drehung bekam er den nackten Lunch zu Gesicht.
    Ihre Blicke trafen sich, und Lunch sagte: »Du hättest meine Anrufe annehmen sollen, Mann – du weißt, was für ein harter Hund ich sein kann.«
    Rodneys Augen füllten sich mit Tränen. Sein Mund stand offen. Er sagte: »Lunch.«
    Auf dem Boden der Veranda lag Lunchs Unterwäsche in einem schwarzen Klumpen. Er hielt den linken Fuß über den Klumpen, öffnete und ballte die Zehen und hob die Unterhose mit einer Darbietung affenartiger Geschicklichkeit in die Hand. Nachdem er in den Slip geschlüpft war, fragte er: »Wo ist er?«
    »Er? Wer, er?« Rodney Chapman hatte vor ein paar Jahren die Vierzig vollendet; er hatte eine rundliche Gestalt, schütteres braunes Haar und eine recht einfache Biografie. Bis zu jenem vierzigsten Lebensjahr hatte er seine Mutter beim Sterben betreut, einem Akt, der dank ihrer Moral und ihrer Pioniergene erst nach fast zwei Jahrzehnten zum Abschluss gekommen war. Ihre Kraft versiegte von einem Jahr aufs andere um nicht mehr als einen Fingerhutvoll, und so blieb Rodney kein erwähnenswertes Leben, abgesehen von der äußersten Pflichterfüllung, Mommy zu pflegen, bis sie tatsächlich ins Gras biss und ihn auf dieser Welt mit nichts als einem Haufen Geld als Entschädigung für die Einsamkeit zurückließ. Ein Mann, der allein auf der Welt ist, aber einen Haufen Geld besitzt, schien den Blickwinkel aller Augen auf dem Planeten zu verändern, denn plötzlich wurde er nicht mehr als bestenfalls verklemmter, patrizischer Depp angesehen, sondern er galt mit einem Mal als faszinierender Auferstandener aus einer vornehmeren Ära. So manches Glamourgirl hörte seine Geschichte von ihm oder anderen und machte sich mit Feuer, Flamme und gelüfteten Rockschößen über ihn her, die Charmekanone unbarmherzig auf Dauerfeuer gestellt. Dolly war eines der bronzefarbenen Babys, die in ihm die Märchenbuchchance ihres Lebens sahen, und nach einem Jahr heiratete er sie, weil ihre Aggressivität die fantasievollste war. In ihren Armen wurde er zu einem anderen Mann. Die Wolken lichteten sich, und er verfiel sinnlichen Lastern. Er ließ sich einen eher flaumigen Schnauzbart stehen und achtete auf kurzgefeilte Fingernägel. Jetzt, an diesem traurigen Nachmittag, sah er Dolly dort auf der Couch, wo sie nackt lag, leise weinend und noch feucht von den Küssen eines anderen Mannes, und er spürte, wie die gesamte Fantasievorstellung von seinem neuen Selbst zerbrach und einen Scherbenhaufen auf seiner Veranda hinterließ.
    »Wo ist er?«, fragte Lunch nochmals. »Wo, zum Teufel, ist der alte Paw-Paw?«
    Es sah aus, als würde jemand die Luft aus Rodney herauslassen. Seine Schultern sackten zusammen, seine Brust fiel ein, er ließ den Kopf hängen. Er trug ein hellblaues Sportsakko über einem dunkelblauen Hemd, dazu eine schwarze Hose und Schuhe. Er schlich sich zu einem Polsterstuhl, die Augen gesenkt, und ließ die Weinflasche aus der Hand fallen.
    Er sagte: »Hat John das mit

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