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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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in die Rippen und sagte: »Ihr habt’s gesehn, Jungs. Euer Daddy nennt sie Arschlöcher, und sie freuen sich , das zu hören.«
    Tip kam mit einer neuen Flasche an den Tisch zurück, und John X schob Shade das Glas vor den Bauch: »Trink aus, Sohn.«
    Tip öffnete die neue Flasche und reichte sie herum.
    »Schätze, Frankie kann nicht kommen«, sagte er.
    John X nickte.
    »Ich hab ihn nie so gut gekannt wie euch zwei beide.«
    »Na ja«, wandte Tip ein, »er sagt, du bist für ihn zu lange nur ein Phantom gewesen, um jetzt noch was anderes zu werden. Irgendwie hat er da ’nen Groll.«
    »Kein Problem«, sagte John X. »Er ist doch Anwalt, stimmt’s?«
    »Mh-hm«, sagte Tip. »Und auch ganz gut im Geschäft.«
    »So, so«, sagte John X lächelnd. »Das hört man gern.«
    Etta kam vom Flipper aus dem hinteren Teil der Kneipe, setzte sich auf einen Holzstuhl und rutschte damit an den Tisch. Ihr Aufzug bestand aus denselben abgeschnittenen Jeans, und demselben schmuddeligen T -Shirt, die sie schon getragen hatte, als sie Mobile hinter sich ließen, aber die kühlere Luft hatte sie veranlasst, ein schwarzweiß kariertes Oberhemd von Grampa Enoch drüberzuziehen, und ihre Sandalen hatte sie gegen rote Turnschuhe ausgetauscht. Sie pickte sich einen Froschschenkel von der Platte und biss in den fleischigsten Teil. Die Lippenfarbe des heutigen Tages war orange, und schwach orangefarbene Flecken hatten bis dato vier Froschschenkel und eine Limo überdauert, aber jetzt wischte sie auch das Geschmier weg, indem sie sich mit dem Handrücken über den Mund fuhr. Mit einem »Quak. Quak«, machte sie sich über ihr Essen lustig.
    Ein eigentümliches schmales Lächeln schlich sich auf Shades Gesicht, als er diese Möchtegern-Madonna anschaute, die so plötzlich unter die Familienkarten gemischt worden war.
    »Wie steht’s am Flipper?«, fragte er sie.
    »Den hab ich fertiggemacht«, sagte sie. »Der Kasten tiltet ziemlich schwer, also hab ich ihn ein bisschen durchgeschüttelt.« Sie grinste ihn an, und trotz ihrer Klamotten und des Haarschnitts sah sie aus wie zehn. »Tatsache ist, der hat leider meine Quarters gefressen. Ich bin gelöscht.«
    »Gelöscht, ja?«, wiederholte Shade den Spielerausdruck. »Du bist das Kind deines Daddys, kein Zweifel.« Er kramte in der Hosentasche und zog eine Faust voller Kleingeld hervor, das er vor ihr auf den Tisch klimpern ließ. »Jetzt bist du nicht mehr gelöscht, Etta. Also, geh los und zeig’s dem Ding.«
    Etta ließ den Froschschenkel fallen und schob dann mit der rechten Hand die Münzen über die Tischkante, um sie mit der linken aufzufangen.
    »Danke schön, Tip«, sagte sie.
    »Nein, nein – ich bin Rene. Er ist Tip.«
    »Scheiße«, murmelte sie, den Kopf gesenkt. »Tut mir leid.«
    Dann schlurfte sie zum Flipper.
    Die Bar war fast voll, Rauchwolken hingen unter der Decke, tätowierte Typen in Hemdsärmeln stritten über Football, Liebe und Diebstähle. Am Pooltisch im Hintergrund waren zwei junge Kerle in olivgrünen Fabrikarbeiteruniformen dabei, selbst die simpelsten Stöße in den Sand zu setzen, und trotzdem noch auf die Weiße zu deuten und zu tönen: »Jedenfalls sauber vorgelegt!«
    Irgendwie sehnsüchtig schaute John X immer wieder zu ihnen hinüber. »Hör mal, John«, sagte Tip. »Was wollt ihre denn hier machen, du und Etta? Wovon wollt ihr leben?«
    John X zuckte die Achseln.
    »Am Napf, wo der große Hund frisst, da futter ich mit.«
    »Was machst du?«
    »Ich nehm ein bisschen von denen, die genug Menge haben.«
    Die Brüder sahen einander an, und dann sagte Shade: »Okay, Kumpel, du hast es geschafft, das ist uns zu hoch.«
    »Ha. Bin nicht mal ins Schwitzen gekommen dabei.« John X hob sein Glas und rollte es zwischen den Handflächen. »Ich mach ’ne nette Pokerrunde auf, für mich und alle von meinem Schlag hier in der Gegend. Ich biete ein korrektes Spiel für Veteranen, und dann werden wir ja sehen, was passiert.« Er seufzte, »’ne annehmbare Runde Pool bring ich nämlich nicht mehr zustande.«
    »Teufel auch«, sagte Tip, und in seinem pockennarbigen Gesicht stand aufrichtige Gelassenheit. »Ich hab Platz. Du und die Kleine, ihr könnt bei mir pennen, Dad.«
    »Das klingt nach ’ner sauberen Strategie«, antwortete John X. »Tönt wie Musik in meinen Ohren.«
    Shade hörte genau hin und hatte ein komisches Gefühl bei dem, was er zu hören bekam.
    »Du bleibst also wirklich?«
    » O ja, Sohn. Sicher doch.«
    Shade zog sich den Stuhl dicht an den Tisch.

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