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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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wirst, Kleine. Wir haben noch ’ne Menge Zeit.« Als er sich vornüberbeugte, um seine schwarzen Turnschuhe zu schnüren, sah er das leere Whiskeyglas. »Schule ist ’ne gute Sache für Kinder«, sagte er und hob das Glas. »Bildung.« Er hielt das Glas über den Kopf und neigte es, um die Aufmerksamkeit des Barkeepers zu wecken. Als ihm das gelang, griente er leicht und fragte: »Noch ein kleines Vögelchen, Engelchen?«
    Als er das Gefühl hatte, mit der Arbeitsweise seines Körpers wieder total vertraut zu sein, informierte John X seine Etta, man würde im Catfish einen Happen zu sich nehmen. Er klemmte sich sein Balabushka unter den linken Arm und verkündete der Kleinen, er sei zwar nicht der Prinz von Monaco höchstpersönlich, aber gleichwohl in der Lage, ein Fisch-Sandwich mit ’ner Portion Hush Puppys zu finanzieren.
    Ihr Gang durch Frogtown zur Catfish Bar hatte etwas von einer Fremdenführung, weil John X immer wieder innehielt, um auf bestimmte Straßenkreuzungen oder Hütten oder Gassen zu verweisen, von denen er meinte, dass sie für seine Tochter von speziellem Interesse sein könnten. Da war die Ecke, wo er rumgehangen war, als er ungefähr in ihrem Alter war; all jene Gassen, die er weiträumigen Straßen stets vorgezogen hatte; die Hütte, in der sein bester Jugendfreund Butter Racine mit Crazy Racine, seinem verrückten alten Herrn, gehaust hatte, der erste echte Drogensüchtige, dessen John X sich entsinnen konnte, wobei Butter der zweite geworden war.
    Ettas Reaktionen auf diese Sehenswürdigkeiten waren gedämpft, sehr zurückhaltend, sie ließ höchstens Ahas und Mhms verlauten.
    In der Nähe einer belebten Straßenecke, an der eine neue Tankstelle-Querstrich-Minimart stand, blieb John X wiederum stehen.
    »Genau dort«, sagte er und zeigte auf die Tanksäulen, »da war mal ganz und gar keine Tankstelle. Nein, Ma’am. Da war mal ein kleines Nachtlokal namens Half-a-Heaven, mit Sägespänen auf dem Tanzboden und jeder Menge dunkler, stimmungsvoller Ecken.«
    »Da bist du gern hingegangen, Dad?«
    »Aber ja«, sagte er. »Alle gingen gern hin. Die ganze Welt drängte sich an einem guten Abend in dem kleinen Laden.« John X zündete sich eine Zigarette an und starrte hinüber auf die Tankstelle. Er trug noch immer die Garderobe eines Toten, und obwohl nichts davon richtig passte, war alles irgendwie bequem. »Kleine, glaub mir, in jenen Tagen trugen die Frauen noch Blumen im Haar. Zum Tanz, in Bars und sonstwo. Ihre Haare waren lang, aber schön in Form gebracht, weißt du, nicht so schlampig, und sie steckten sich große, bunte, duftende Blüten verschiedenster Sorten hinein. Für gewöhnlich gleich über dem Ohr, wo man mit der Nase hinschnüffeln konnte, wenn man mit ihnen tanzte. Rot waren sie oder weiß, vielleicht auch gelb oder rosa – auf jeden Fall aber dufteten sie süß.«
    »Blumen?«, fragte Etta. »Ich glaub, das ist nicht mehr angesagt.«
    John X blickte kurz auf Etta hinab und nickte dann einmal.
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte er. »Aber damals fand man’s nicht albern, Kleines, das kannst du mir glauben.«
    Sie gingen den Bürgersteig entlang, und eine Minute später fugte er hinzu: » Hinreißend , das dachte man damals wohl.«
    Die Marschroute zum Catfish führte den alten Mann und das Kind an der Kreuzung von Lafitte und Perry Street vorbei, wo Ma Blanqui’s Pool House den Eckbereich eines gemauerten Reihenhauses einnahm.
    »Da ist es, wo die Mutter deiner Brüder wohnt, Kleines.«
    »Gehen wir rein?«
    »Heute nicht, Kleines. Machen wir, dass wir weiterkommen.«
    Als sie ihren Weg fortsetzten, fragte Etta: »Hast du mit ihr getan, was Mom mit dir getan hat?«
    »Ich weiß nicht. Ich schätze schon. Eines Morgens kam ich in Beaufort, South Carolina, wieder zu mir, und es war klar, dass es uns ziemlich weit auseinandergetrieben hatte. Ich wusste auch genau, dass ich mit der Herumtreiberei noch nicht fertig war, und nur verdammt wenige Ehefrauen können mit so was leben.«
    »Aha. Wie ist sie denn jetzt so?«
    »Sie ist eine starrköpfige ältere Frau, denk ich.« John X tätschelte seiner Tochter den Kopf, damit sie ihm über die Straße folgte. »Sie backt einen mächtig feinen Pfirsichkuchen, wenn ich mich recht erinnere. Hübsche lange Haare bis auf die Schultern. Sie hat aus deinen Brüdern ganz anständige Menschen gemacht.«
    Das Schild mit dem blauen Wels-Filou kam in Sicht.
    »Mir kommen sie eher ein bisschen krass vor, Dad.«
    »Na ja«, sagte er

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