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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Smiths fast während ihrer gesamten Ehezeit ausgefochten hatten, nämlich: Sollte Kaffee aufgebrüht und schwarz sein, damit er auch wie Kaffee schmeckte (er), oder gefiltert und mit Milch, um Speiseröhrenkrebs zu vermeiden (sie)?
    Drei Bier und kein Schlaf bewirkten, dass Lunch sich zum Richteramt berufen fühlte, und er entschied den Kaffeestreit, indem er sagte: »Aufbrühen und schwarz servieren, aber dann auch sicherstellen, dass der Mann einen Tagessatz von zehn Minuten oder mehr Tittchennuckeln kriegt, und damit wären alle rundherum gerecht bedient.«
    Einen Augenblick lang war nichts zu hören als das Klappern der Stricknadeln. Dann sah Mary zur Abwechslung Lunch mal direkt an. Ihre Augen waren grün, und ihr Blick brannte. Sie sagte: »Das ist eine interessante Antwort. Schwarzer Kaffee und Tittchennuckeln – daran haben wir noch nie gedacht, aber es klingt gut.«
    John Smith hatte den Kopf im Nacken, und vom scheelen Lächeln bekam sein Menjou einen Knick.
    »Hi-hi«, machte er. »Sie hat die Tittchen dafür, stimmt’s?«
    Lunch ließ seine Bierflasche über die feuchten Flecken auf dem Tisch gleiten.
    »Kein Gentleman würde diese Frage beantworten«, sagte er. »Aber die hat sie weiß Gott.«
    Mary lachte und sagte: »Er ist ein niedlicher kleiner Kerl.«
    John Smith gab wieder das Hi-hi-hi-Geräusch von sich. Dann sagte er: »Machen wir doch alle eine Kutschfahrt – wie wär’s?«
    Sie erwischten eine Kutsche an der Canal Street. Lunch und die Smiths verteilten sich auf dem Sitz, mit Mary, die weiterhin strickte, in der Mitte. Die Kutsche wurde von einem dunklen Pferd gezogen, das auf diese Arbeit nicht erpicht schien, und war offen für Luft und Sonnenglut. Der Kutscher, ein dicklicher junger Mann, bis auf einen authentisch historischen Hut in normal moderner Kleidung, rief mit lauter Stimme alle Wahrzeichen und speziellen Sehenswürdigkeiten der Stadt aus und bewies einen leichten Hang zur Hysterie, wenn es um altbackene Architektur und gewisse berüchtigte Bluttaten ging.
    Lunch fand besonders diese berüchtigten Bluttaten interessant. Dem Natchez-Pfad hatte man den Beinamen Teufels Rückgrat gegeben, und das war ein so starker Ausdruck, dass er in einen Song gehörte, vielleicht sogar als Refrain. Auf und ab über des Teufels Rückgrat waren Kerle getobt, die aus der Gosse kamen, aber wussten, was sie wollten, und mit solchen das eine oder andere Bud zu zischen, wäre Lunch nicht abgeneigt gewesen. Ihre Verbrechen und das bis heute erinnerte Drama ihres blutigen Lebens beschworen gewisse gespenstische Gefühle herauf, die irgendwo tief drinnen in Lunch herumspukten.
    Die Kutsche ratterte an diesem alten Haus und an jenem alten Haus vorüber, die allesamt die normalen Namen irgendwelcher Leute trugen, und das Pferd und sein Kutscher wichen Pick-ups aus, die Kürbisse transportierten, Wohnmobilen mit Rentnern und japanischen Kleinwagen. Der ganze Häuserkram gefiel eigentlich nur Mary (dies war innerhalb von zwei Tagen die dritte Kutschtour der Smiths), wohingegen Lunch und John sich mit Inbrunst dem historischen Schmutz und Schund und all deren blutigen Feinheiten widmeten.
    Als die Kutschfahrt endete, kehrte das Trio in eine Kneipe namens Mike Fink’s ein. Mike Fink gehörte auch zu den hiesigen Legenden, ein Aufschneider, der allem Anschein nach massenhaft Schwachsinn von sich gegeben hatte. Sein Papa sei ein Alligator, seine Mama ein Hurrikan, zum Frühstück futtere er Schießpulver, mit seinen Fürzen fege er ganze Armeen weg usw. Mehrere Prahlereien dieses Schlags waren auf verwitterte Holzbretter gemalt und an die Wände genagelt worden.
    Lunch und die Smiths blieben beim Bud, ergänzt durch Burger, und die Smiths trugen die Kosten, denn sie hatten, wie sich jetzt herausstellte, dreitausendsechshundert Dollar dabei.
    Obwohl sie ihn gar nicht so oft anzuschauen schien, machte Mary doch einige Bemerkungen über Lunch. So sagte sie, die Quetschung in seinem Gesicht sehe älter aus als von gestern Abend. Lunch erwiderte, der menschliche Körper sei eben ein Wunder der Natur. Eine Weile später deutete sie mit einer Stricknadel auf seine Füße und dann auf seine Hände.
    »Er hat die klitzekleinsten Hände und Füße – ist dir das schon aufgefallen?«
    John Smith gab wieder dies Hi-hi-hi von sich, ein Geräusch, das allmählich nervte.
    »Ha-ha-ha«, erwiderte Lunch, gleichsam als Gegengift.
    »Bist wirklich ’n Kleiner , Freundchen«, sagte John Smith. »Wie Little Harpe, der Bruder von

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