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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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ganz normalen Durchschnittsbürgern, die eigentlich in Arrest gehört hätten, aber nur ab und zu mal da gelandet sind. Gewisse Leute können das einem ewig nachtragen. Ich schätze, ich hab dies getan, und ich hab das getan, und manchmal hab ich auch noch was ganz anderes getan. Für Frogtown-Verhältnisse waren meine Klamotten ziemlich auffällig, und ich hatte keine Angelhaken in den Taschen. Den Mädels aus der Nachbarschaft gefiel das sehr. Und vielleicht zersprangen auch nicht allzu viele Spiegel, wenn ich reinsah, und ich glaube, das gefiel den Mädels ebenfalls. Knallige Klamotten, keine Angelhaken in den Taschen und obendrein ein Traummann, das waren Sachen, die so mancher Kerl an mir so gar nicht mochte, aber die Mädels standen drauf, und bei den Mädels, die mich mochten, nun, da fand ich in der Regel das eine oder andere, das ich auch an ihnen mochte. Eine hübsche Figur oder schöne Haare gleich welcher Farbe, braune Augen, blaue Augen, grüne Augen, eine überkandidelte Stimme, eine süße Lücke zwischen den Vorderzähnen – wenn ich nach ihrem Geschmack war, waren sie nach meinem. Stew jedenfalls war einer von denen, die mich nicht leiden konnten wegen meinem großen Herz.«
    »Hat seinen Groll ziemlich lange gehegt«, sagte Tip.
    John X drehte sich auf seinem Hocker, die jungen Damen standen in Reichweite. Er streichelte Ettas Haare, und Gretel sah er ins Gesicht.
    »Diese Narbe da, die geht mir nur schwer aus dem Sinn«, sagte er. »Sie lässt dich aussehen wie eine Frau, der das Ränkespiel gefällt, eine Besucherin aus fernen Gefilden.«
    Gretel grinste und trat von einem Fuß auf den anderen.
    »Schön wär’s«, sagte sie.
    John X hob sein Glas.
    »Auf euch zwei Prachtkinder«, sagte er und kippte den Whiskey runter. Er stand auf und ging langsam zum Ausgang, Etta am Rockschoß. Er zog die Tür auf und hielt inne, blickte hinaus auf die Lafitte Street und dann hinauf in die heiße, grelle Sonne. »Mag ja sein, dass alles, was ich im Leben tat, zum Schlechten geriet, aber verdammt, Sohn, ich würd das alles mit Freuden nochmals tun.«

9
    Auf der Fahrt hinauf von der Küste und durch die Nacht hatte Lunch Pumphrey ganz der Landkarte vertraut, die ihm im Gedächtnis war, und demgemäß endete er ein beträchtliches Stück entfernt von seinem Ziel. An der ’Bama-Grenze war der Straßenatlas in seinem Kopf mit einem Mal vernebelt, wenn auch nicht von erschreckenden Dimensionen, und daher war er weiter in die dunkle Nacht gerauscht, nur um sich schließlich an einem Ort wiederzufinden, den es tatsächlich gab, obwohl er auf seiner Karte nicht verzeichnet war. Doch es kam keineswegs infrage, dass er sich mit der verlorenen Orientierung abfand. Er hatte kein Anzeichen von Memphis wahrgenommen, und er war todsicher, dass er da hätte durchkommen müssen, bevor er auf den Big River stieß. Oder, wenn schon nicht Memphis, dann doch gewiss Arkansas oder sonst einer dieser Staaten im Süden, dessen Namen er ausradiert hatte, den es aber dennoch geben musste, damit er ihn unter die Räder seines Käfers kriegte. Doch Memphis war nicht aufgetaucht und ebenso wenig ein einziger erwarteter Staatenname, ob noch im Kopf oder ausradiert.
    Früh in den Morgenstunden, mit nichts als einem umwölkten Mond am Himmel, hatte Lunch sich schließlich eingestanden, sich verfahren zu haben, und angefangen, die Straßenschilder derart angestrengt zu studieren, dass der Käfer vom Asphalt kroch, einen Graben durchquerte und an einer Reklametafel landete, auf der »See Rock City« stand. Der rechte Scheinwerfer leuchtete nicht mehr. Blech vom Kotflügel hatte sich kreischend eingerollt, um das Vorderrad zu arretieren. Der Reifen war aufgeschlitzt und zischte kurz seine Wut hinaus.
    Lunch ließ den unverletzten Kopf aufs Lenkrad sinken, und seine Lippen küssten die Hupe.
    »Tut mir leid«, sagte er.
    Es war noch höchst früh am neuen Tag, aber Lunch hatte schon Salem Nummer drei gepafft, bevor er ein Farmhaus fand und eine Werkstatt anrufen konnte. Der Abschleppwagen schaffte den Käfer in einen Ort namens Natchez, und Lunch musste sich eingestehen, dass er dort festsaß, bis Virgil oder Bill, die Schraubenschlüsselschwenker, die hier das Sagen hatten, dazu kamen, ihm die erforderlichen Mechanikerdienste zu leisten.
    Als die Sonne aufging, stellte Lunch fest, dass er wenigstens den Fluss gefunden hatte und dass die Stadt einer jener Orte war, die vor Geschichtsträchtigkeit schon fast platzten. Eine Weile stand er bei

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