Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
Big Harpe, die als Brüderpaar zahllose Reisende am Teufels Rückgrat beraubten und ermordeten. Das hab ich nachgelesen.«
»Little und Big wer?«
»Harpe«, sagte John Smith. »Der eine war bekannt als Little und der andere als Big, und bei den diversen Banden am Teufels Rückgrat hieß es, beide Harpes seien maßlos und bizarr in ihren Schandtaten gewesen. Sie hatten eine so perverse Art zu metzeln und ihr Unwesen zu treiben, dass es die andern Killer erschütterte, bis sie schließlich Little und Big mieden, wo es nur ging.«
Das Ding, das Mary strickte, nahm langsam die Gestalt eines festmaschigen Kniestrumpfs an. Aus dem Mundwinkel sagte sie: »Erzähl ihm von dem Baby und den Leichen.«
»Die Harpes hatten ein paar Frauen bei sich, Freundchen, und wie die Natur es will, kam es auch zu Kindern. Aber Big war ziemlich aufbrausend, und als ein Baby, sein Baby, wohlgemerkt, ihn störte, indem es plärrte und alle um den Schlaf brachte, na ja, da hat Big das Baby bei den Beinen gegriffen und es mit dem Kopf gegen einen Baumstamm geschmettert.«
»Kein Scheiß?«, fragte Lunch. Er hörte verzückt zu, als ginge es um seine eigene Familiengeschichte. »Was hat Little gemacht?«
»Ich glaube, sie legten sich wieder schlafen«, sagte John Smith. »Das Geplärr war ja vorbei. Am besten waren sie jedoch darin, Leichen verschwinden zu lassen. Die Leute, die sie ermordeten, wurden fast nie gefunden. Die Harpes waren nämlich Bauernjungs, miese Bauernjungs, und beim Schlachten daheim auf dem Hof hatten sie so einiges gelernt. Man nimmt die Leiche von einem Menschen, hi-hi-hi, und man schlitzt sie unten auf, unten am Bauch, schöpft die Eingeweide raus und füllt Steine rein, und dann schmeißt man sie in den Fluss. Die kommt nicht wieder hoch. Das Gas tritt durch den Schlitz aus, wenn das Opfer verwest, und so bläht es sich nicht auf und mit all den Steinen im Bauch, da ruht es auf dem Flussbett, und gründelnde Fische knabbern am Corpus delicti, bis er ganz verschwunden ist.«
»Mann«, staunte Lunch. »Geschichte ist echt okay.«
»Geschichte war immer mein liebstes Fach«, sagte John Smith.
»Meins war die große Pause.«
»Schätze, deswegen bin ich am Erzählen, und Sie sind am Zuhören.«
»Mag sein.« Lunch warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. »Waren echt wilde Zeiten damals.«
»Das waren sie, Kumpelchen. Ich muss sagen, ich glaub, es wäre bestimmt ein echtes Abenteuer gewesen, in jenen Tagen hier unten zu sein. Glaub ich wirklich. Ich geh mal davon aus, dass ich mich ziemlich gut gemacht hätte unter solchen Burschen. Ich hab die Größe, und ich kann kämpfen, wenn ich muss.«
Mary sagte: »Du hattest keine Schlägerei mehr, seit du Alice Buchtels Jungen eine gepfeffert hast, weil er einen Schneeball auf deinen Caprice geschmissen hat.«
»Aber in jenen Tagen, Hon, hätte ich ständig welche gehabt und garantiert meine Nahkampftechnik verbessert. Ich kann kämpfen, wenn ich muss. Und wenn ich mal wirklich kämpfen musste, war ich in der Regel am Ende obenauf.«
»Oooh«, sagte Lunch. »Ich kann mir so was Brutales gar nicht vorstellen. Bei einem kleinen Kerl wie mir, also, da wär’s nicht angebracht, sich in Auseinandersetzungen dieser Art verwickeln zu lassen.«
Mary sagte: »Weißt du, seine winzigen Stiefel sehen aus, als könnten sie mir passen.«
»Bitte ringen Sie mich nicht zu Boden und rauben mir die Kleider, Ma’am. Besonders nicht meine Stiefel.«
»Er ist niedlich. Er ist der oberniedlichste kleine Mann.«
Als das Trio Burger und Buds vertilgt hatte, erstaunte Lunch die beiden, indem er seinen linken Unterarm mit der Tätowierung Cubs Win! präsentierte. Sie ergötzten sich einen Moment daran, und dann sagte Lunch, er müsse sich allmählich mal bei Virgil und Bill um den Zustand seines Käfers erkundigen. Die Smiths brauchten neue Informationen über ihren Caprice, und daher gingen sie alle gemeinsam zur Werkstatt.
Weder Virgil noch Bill trugen ein Namensschild, aber aus irgendeinem Grund glaubte Lunch, dass es Virgil war, mit dem er sprach. Der vermeintliche Virgil sagte, Lunch sei ein Glückspilz, denn auf einem nahe gelegenen Autofriedhof hätten sie einen Kotflügel für den Käfer gefunden, wenn auch nur in mattschwarzer Lackierung. Der neue Reifen war aufgezogen worden, das Rad montiert und ausgewuchtet. Die Haube vorn sei ziemlich gut, wenn auch nicht perfekt ausgebeult.
»Darum kümmere ich mich selbst«, meinte Lunch. »Was bin ich Ihnen schuldig?«
Die
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