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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Gesamtrechnung für Abschleppkosten, Reifen, Kotflügel, Arbeitslohn und undurchschaubares Diverses entsprach der Beute aus drei Ladenüberfällen. Aber die unmittelbare Zukunft schien so vielversprechend, dass Lunch anstandslos zahlte.
    Mit dem Caprice der Smiths war die Sache nicht so klar. Er könnte wieder auf die Straße, sobald eine Seitentür eingebaut wäre, aber die Seitentür war in Vicksburg geordert worden, und die Lieferung hatte sich verzögert.
    »Der träge alte Fluss hat auch hier die Leute zu Faulpelzen gemacht«, beklagte Mary. »Ich will zurück auf mein Zimmer und mich ausruhen. Mir tun die Augen weh.«
    »Höchst ungern seh ich, wenn nette Leute wie Sie einen Hass auf diese Gegend kriegen«, sagte Lunch. »Der Menschenschlag hier ist die Freundlichkeit in Person. Hören Sie, in zwei Stunden geht die Sonne unter, und mein Auto läuft. Wie wär’s, wenn ich Sie zum Abendessen auf dem Lande einlade, allesamt? Eine Wirtschaft, in der Mutti kocht, draußen, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen und der Mond aufs Wasser scheint.«
    »Nun«, sagte John Smith. Er sah Mary an. Die nickte. »Einverstanden. Aber nur, wenn Sie uns zahlen lassen, okay?«
    Lunch wartete größtenteils auf einer Parkbank, dass endlich die Sonne unterging. Ein wenig wieselte er durchs Gelände. Eine Prise Kokain brachte seinen Gedanken den überdrehten Durchblick. Zum Zeitvertreib betrachtete er den Fluss und die Vögel. Er musste eilig nach St. Bruno, wohin es, wie er gehört hatte, kaum mehr als ein Katzensprung war. Zuerst jedoch das Abendessen mit den Smiths. Als es dunkel wurde, kam er in die Gänge.
    Er lenkte den Käfer in gemächlichem Tempo zum Cromworth Motel, wo die Smiths ein Zimmer hatten. Dieses lag nicht an der Straße, und als er hinten herumfuhr, sah er sie beide, rosa Obstwein in der Hand, vor Zimmer Nummer einhundertelf stehen und auf den kleinen Swimmingpool im Hof starren.
    Lunch parkte keine dreißig Zentimeter vor ihren Kniescheiben. Er streckte den Kopf samt Hut aus dem Fenster.
    »Howdy, howdy«, rief er. »Hunger?«
    »Mordsmäßig«, sagte Mary Smith. Sie hatte die blonden Haare ums Gesicht drapiert und trug ein kurzes rotes Cocktailkleid, das am einen Ende ihre formvollendeten Schenkel sehen ließ und am anderen eine großherzige Dosis blassen Dekolletés. »Mit Ketchup könnte ich glatt Ihren schwarzen Hut vertilgen.«
    »Da finden wir was Besseres«, sagte Lunch. Er hielt die Kupplung getreten und ließ den Käfermotor aufheulen. »Virgil hat mir von dieser Wirtschaft erzählt, wo Mutti in der Küche steht und spezialisiert ist auf Flussfisch und Hühnchen.«
    »Auf großen Tellern, will ich hoffen«, meinte John Smith, als er die Beifahrertür öffnete.
    »Die tischen Familienportionen auf«, versicherte Lunch. »Sie kriegen ihren schon Hals voll, da wette ich.«
    »Hi, hi, hi.«
    Die Smiths warfen ihre Obstweinflaschen in einen Mülleimer und kletterten dann in den Käfer. Wegen seiner Größe krabbelte John Smith auf den Rücksitz, den er auch ganz allein für sich brauchte. Mary nahm vorne Platz, bewaffnet mit der großen Tasche Strickzeug auf dem Schoß.
    »Falls ich mich langweile«, sagte sie und tätschelte die Tasche.
    »Das werden Sie gewiss nicht«, betonte Lunch.
    Er ließ das Cromworth Motel hinter sich. An der Hauptstraße bog er dahin ab, wo er Süden vermutete. Laternen und diverse Neonreklamen erleuchteten die Straße, und Lunch fuhr langsam durch spärlichen Verkehr.
    »Das Ding scheint sich schwerzutun«, bemerkte John Smith.
    »Bei all dem Gewicht«, sagte Lunch.
    Am Stadtrand fuhr er weiter geradeaus. Auf der einen Straßenseite waren ab und zu noch kleine Häusergrüppchen auszumachen. Ein voller gelber Erntemond hing am Himmel und verbreitete einen fantastischen goldenen Schimmer, der seltsam unecht wirkte, wie von einem spirituellen Spinner aus lauter Einsamkeit erfunden oder von Hollywoodbeleuchtern hochgehievt, um eine Liebesgeschichte in seinen Schein zu tauchen. Hier und da zeigte sich der Fluss zwischen Baumreihen, braunes Wasser, golden in der Nacht.
    »Haben wir uns schon verirrt?«, fragte Mary.
    »Noch ein kleines Stück weiter raus«, sagte Lunch. Er sah im aufgeblendeten Licht einen Schotterweg, der zum Wasser führte. »Ich denke, das hier wird es sein.«
    Er bog von der Asphaltstraße auf den Schotterweg ab.
    »Ziemlich dunkel«, sagte John Smith.
    »Dunkel genug?«, fragte Mary.
    »Yup.«
    Sie griff in ihre Strickzeugtasche und holte einen vernickelten

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