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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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sagen, Ma. Ihre Haare sind komisch geschnitten, und man hat ihr beigebracht, sich mit so was wie Ölkreide im Gesicht rumzumalen. Sieht merkwürdig aus.«
    »Kleine Mädchen sind anders, Sohn.«
    »Die zweifellos.« Shade gähnte und reckte den Rücken gegen die Dr.-Pepper-Kühltruhe. »Ich hau mich heute Nacht oben hin.«
    Monique betrachtete ihn kühl hinter einer neuen schwarzen Zigarette.
    »Ist ja interessant«, sagte sie.
    »Ich will dir sagen, was interessant ist, Ma«, sagte Shade. »Du weißt doch, dass du uns immer erzählt hast, du und Dad, ihr wärt legal noch verheiratet? Dass er nur ein durchgebrannter Ehemann und Daddy war, all die Jahre nichts als ein Rumtreiber? Nun, so wie er’s sagt, hast du dich von ihm scheiden lassen, und das vor Jahren . Vor etlichen Jahren sogar.«
    »Ja, wirklich?«
    »Yeah. Warum hast du uns denn immer erzählt, dass du noch verheiratet bist, obwohl’s gar nicht stimmt, hä, Ma?«
    Monique beugte sich von ihrem Platz auf dem hohen Barhocker vor und stützte die Ellbogen auf den Deckel der Kühltruhe. Ihre Augen sahen hinter den Gläsern riesig aus. Sie hob kampflustig das Kinn und blies ihrem Sohn eine Rauchwolke entgegen.
    »Nun, das dürfte doch auf der Hand liegen«, sagte sie sarkastisch. »Ich wollte dich verarschen, ganz einfach.«

11
    Mrs. Carter hatte eine ganze Anzahl von Regeln. Die recht große Frau beträchtlichen Alters trug gewöhnlich einKleid aus bedrucktem Kattun und einfache schwarze Schuhe, und trotz der unsäglichen inneren Traurigkeit, die der Ausdruck ihres verkniffenen Gesichts erahnen ließ, widmete sie sich emsig und gewissenhaft der Ausübung ihrer Pflichten. Wenn neue Mädchen ins Haus kamen, ließ sie sie Platz nehmen und kam ihnen mit einer kurzen Ansprache, in der sie die diversen Grundregeln abspulte: »Ein gesundes Kind, das ist es, was die Leute wollen, und dafür zahlen sie auch. Das bedeutet, dass hier keine Lasterhaftigkeit geduldet wird. Kein Schnaps, kein Dope, keine Zigaretten und keine seltsamen Essgewohnheiten. In diesem Haus esst ihr Gemüse. Ihr esst mageres Fleisch, alle Arten von Gemüse, viel Obst. Ihr trinkt Milch, und ihr habt keinen Sex. Ihr geht hier nicht vor die Tür und trefft euch mit irgendwelchen Burschen, die euch den Kopf verdrehen und deren Arme so stark sind, so wunderbar, so wunderbar stark, und deren Zunge euch so flink in den Mund schießt und peng, schon habt ihr ganz vergessen, dass ihr fetter seid als ein preisgekrönter Kürbis, weil ihr schwanger seid, Mädchen. Ihr tragt ein Kind in euch. Also, keine geschlechtlichen Beziehungen – verstanden?«
    Mrs. Carters Haus war im Ranchstil gebaut, also ebenerdig, um anstrengendes Treppensteigen zu vermeiden. Gretel und die vier anderen Mädchen taten im Haus nicht sonderlich viel, außer dass sie sich auf den weichen Möbeln herumlümmelten und an Leibesumfang zunahmen. Sie knabberten am Obst, das Mrs. Carter auf Tabletts servierte, und sahen fern, von den Landwirtschaftsnachrichten am frühen Morgen bis zu den lokalen Spätnachrichten, deren Ende signalisierte, dass Zeit fürs Bett war. Drei der Mädchen kamen aus der Gegend, und nur Gretel und noch eine andere waren Zugänge von außerhalb.
    Die Mädchen führten recht oft besorgte Gespräche über das Gebären ihrer Babys. Es gab da Gerüchte über fürchterliche Schmerzen im Verlauf der Entbindung. Die Mädchen sprachen darüber, wie Ledernacken im Schützengraben darüber reden, lebendig in Gefangenschaft zu geraten. Zu diesem Thema machte Gretel am wenigsten den Mund auf, denn sie hatte zugeschaut, wie Landhippie-Frauen in Deliriums Küche auf Navajo-Decken gelegen und ihre Babys gekriegt hatten, und die kleinen Dinger waren glatt rausgekommen, die Frauen gesund und manchmal bester Laune.
    Mrs. Carters Haus war in der Nachbarschaft bekannt bis berüchtigt, und ab und zu kam es zu Zwischenfällen. Es konnte geschehen, dass Ex-Freunde betrunken vorgefahren kamen und Beleidigungen brüllten oder Eltern eintrafen, um einem der Mädchen vorzuhalten, wie zutiefst enttäuscht man von ihm sei. Manchmal tauchten nach Einbruch der Dunkelheit auch Jungs auf Bonanza-Rädern auf, kurvten auf dem Gehsteig und dem Vorderrasen herum, ließen lockende Rufe hören und richteten lüsterne Protzereien an diesen Haushalt aus Mädchen, die ganz bestimmt Lust auf einen Fick hätten, wenn man sie nur in die Büsche locken könnte.
    Das Zimmer, in dem Gretel schlief, war am weitesten von der Küche entfernt, was sie davon abhielt,

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