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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Mensch kann die ersten vierzig Meter schneller laufen als ein Pferd. Das ist wahr. Die ersten vierzig Meter gehören dem Menschen, aber was kommt dann? Bitte! Was kommt dann?
    Oh, bitte!

8
    Pete Ledoux, ein Mann mit vielen scheußlichen Erfahrungen, saß hinter dem Steuer eines gelben VW -Käfers und beobachtete, wie die Leute zur Seventh Street strömten wie eine Handvoll Luftgewehrkügelchen, die man in einen Trichter schüttet. Er wusste, was das hieß. Es war passiert. Aber inzwischen war so viel Zeit vergangen, dass der Schrecken gewichen war und die Neugier wieder die Oberhand gewonnen hatte. Man hörte bereits das Heulen der Sirenen.
    Ledoux drehte sich zu Duncan Cobb um, der auf dem Rücksitz saß.
    »Versteck das Ding«, sagte er. »Irgendwas ist schiefgelaufen.«
    Die Anspannung zeigte sich auf Duncans blassem, fleischigem Gesicht, das trotzig und erschöpft wirkte.
    »Das war bestimmt Jewel«, sagte er. »Wenn was schiefgeht, dann liegt’s an Jewel.«
    »Er hat’s vielleicht verbockt, aber wir sind diejenigen, die die Scheiße am Hals haben.«
    Ledoux ließ den Wagen an und zog eine Grimasse, als er das mickrige Stottern des Motors hörte.
    »Hättest du nicht was Besseres beschaffen können?«, fragte er, als er sich in den Verkehr einfädelte. »Also ehrlich.«
    »Du wolltest ’nen sauberen Wagen«, verteidigte sich Duncan. »Der Besitzer ist fünf Tage in Urlaub.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ist ein Freund von mir.«
    »Du hast die Karre von ’nem Freund geklaut?«
    »Hey, sie ist sauber – das wolltest du doch.«
    »Okay«, meinte Ledoux achselzuckend. »Aber vergiss nicht: Ich mach nie Urlaub.«
    Der Verkehr auf der Benton Street floss langsam und gemächlich, bis sie die Seventh Street kreuzten, wo viele Fahrer beim Anblick der wachsenden Menschenmenge an den Randstein fuhren, weil ihre Angst, sie könnten womöglich ein Drama von historischen Ausmaßen verpassen, zu groß wurde.
    Der gelbe Käfer wendete an der Seventh Street und fuhr die Benton Street zurück.
    »Er wird’s nicht schaffen«, meinte Ledoux. »Wird er sich den Weg freischießen, was denkst du? Oder legt er sich flach auf den Boden und lässt sich verhaften?«
    »Vielleicht ist ihm Crane ja zuvorgekommen.« Duncan rieb sich den Stiernacken und ließ den Kopf kreisen, bis die Wirbel knackten.
    »Keine Ahnung, was er tun würde. Woher soll ich das wissen? Der kennt sich hier doch gar nicht aus. Wenn er wegrennt, verirrt er sich.«
    »Und wenn er geschnappt wird, sind wir dran. Wir müssen diesen bescheuerten Schlappschwanz finden.«
    »Das werden wir auch.«
    Nach einem bedeutungsvollen Blick über die Schulter sagte Ledoux: »Das will ich schwer hoffen. Das ist dein Mann, mon ami.«
    »Das brauchst du mir nicht zu sagen.«
    »Ich wollte das nur noch mal feststellen. Ich hab nämlich ein gutes Gedächtnis dafür, wer Scheiße baut.«
    »Das nennt man Überleben.«
    »Spar dir deine Weisheiten.«
    Sie fuhren kreuz und quer, durch enge Seitenstraßen, aber die Suche nach Jewel blieb erfolglos. Ledoux brach das Unternehmen schließlich ab und entschied sich für eine andere Taktik.
    Er durchquerte die Stadt, vorbei an den schmalbrüstigen Häusern, an den Kneipen mit den vulgären Namen und an den mit Unkraut überwucherten Plätzen. Das Äquivalent von Frogtown im südlichen Teil der Stadt. Für Frogtowner war es nicht immer ratsam, sich hier blicken zu lassen, aber im Lauf der Jahre hatte Ledoux gelernt, sich zurechtzufinden. Wie in allen alten Vierteln war der Fluss das beherrschende Element, und wenn man ihn im Auge behielt, konnte man nie völlig die Orientierung verlieren.
    »Ich hab gedacht, wir hätten alles haarklein ausgetüftelt«, sagte Ledoux und sah Duncan im Rückspiegel an.
    Duncan antwortete nicht.
    »Mon Dieu«, knurrte Ledoux und fuhr an den Straßenrand. »Setz dich nach vorn. Sieht komisch aus, wenn du da hinten hockst, und der Beifahrersitz ist leer.«
    »Okay.«
    Als Duncan sich nach vorn gehievt hatte, fuhr Ledoux die South River Road stadtauswärts.
    Am Stadtrand wurden die Häuser spärlicher, aber größer und neuer. Die Rasenflächen waren noch sauberer und gepflegter als vor einer presbyterianischen Kirche; die langen, asphaltierten Einfahrten unterschieden sich nur durch die schmiedeeisernen Tore mit den verschnörkelten Schlössern von der Straße. Ledoux fuhr an diesen feudalen Unverschämtheiten vorbei, bis die River Road die Gleise kreuzte und sich in einen weißen Kiesweg verwandelte.
    Der Weg

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