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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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das Dach und ein Teil des Rückfensters aus dem Wasser ragten, rammte er die Sandbank und saß fest.
    »Ich könnt die Fenster rausballern, wenn du willst.«
    »Nein. Die Kiste macht, was sie will. Lass nur.«
    Ledoux starrte noch einen Augenblick auf das unkooperative Vehikel, dann drehte er sich um und stampfte den Weg hinunter zu seinem eigenen Wagen. Er hatte die Stirn in nachdenkliche Falten gelegt, und seine Füße versanken im Matsch.
    »Sag mal«, begann er, »ist dir am Mond in letzter Zeit was Komisches aufgefallen?«
    »Keine Ahnung.«
    »Ich meine, hast du was bemerkt?«
    »Könnte ich nicht behaupten«, antwortete Duncan, der Ledoux bei Laune halten wollte.
    »Aber du würdest so was sowieso nicht merken, stimmt’s? Dir würd’s nicht auffallen, wenn irgendwas komisch wäre.«
    »Vielleicht schon. Wenn’s wirklich komisch wäre.«
    Ledoux schnaubte und beschleunigte seinen Schritt.
    »Wirklich komische Sachen stehen in der Zeitung, du Vollidiot. Herrgott – die kleinen komischen Sachen sind es, nach denen du Ausschau halten musst. Ich hab selbst ganz schön Lehrgeld bezahlt, um das zu kapieren.«
    »Offenbar nicht genug«, sagte Duncan mit einem Lachen.
    »Das«, entgegnete Ledoux, »wird sich noch rausstellen.«

9
    Shade war für den frühen Nachmittag in Captain Bauers Büro bestellt worden. Er klopfte an die dicke, fensterlose Holztür und trat ein. Der Captain stand mit hängenden Armen am Fenster. Bürgermeister Crawford, in schwarzer Trauerkleidung – italienischer Schnitt und teuer –, saß mit übergeschlagenen Beinen auf dem kleinen Sofa und hatte die Hände um das obere Knie geklammert.
    Die Wolke der Zufriedenheit, auf der Shade nach Nicoles Besuch geschwebt hatte, verdunstete augenblicklich.
    Der Bürgermeister nickte einem dunklen, kompakten jungen Mann zu, der in einem blauen Nadelstreifen-Dreiteiler mit einem dekorativen gelben Taschentuch in der Brusttasche steckte.
    »Ich glaube, ich brauche Sie nicht miteinander bekannt zu machen«, sagte der Bürgermeister.
    »Stimmt«, erwiderte Shade, der spürte, dass sich hier ein taktisches Manöver ankündigte, mit dem er unter Druck gesetzt werden sollte. »Wie läuft’s, François?«, sagte er zu seinem jüngeren Bruder.
    »Es geht«, erwiderte François. »Man bemüht sich.«
    Der Captain drehte sich um und musterte ihn, zog eine Grimasse und wandte sich dann wieder der offenbar faszinierenden Aussicht zu.
    Der Bürgermeister begegnete Shades Blick und lächelte.
    »Ihr Bruder hat den Fall Rankin übernommen – ist das nicht praktisch? Wir sehen es gern, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft eng zusammenarbeiten.«
    »Jawohl, Herr Bürgermeister«, sagte François, wie zum Sprung vorgebeugt. »Das ist entscheidend, um einen Fall zu lösen.«
    »Äh – ja«, meinte der Bürgermeister mit einem spitzen Lächeln. »Selbstverständlich.« Er stand auf und ging zur Tür. »Frank – ich darf Sie doch Frank nennen?«
    »Aber bitte.«
    »Frank ist über den Fall in Kenntnis gesetzt worden. Tun Sie, was getan werden muss. Tauschen Sie Informationen aus oder so.«
    »Welche Informationen?«, fragte Shade.
    »Hören Sie zu, Shade«, begann Bürgermeister Crawford, »wir haben haufenweise Akten über Einbrecher, da bin ich mir sicher. Wie wär’s, wenn Sie damit anfangen würden?«
    Nachdem der Bürgermeister sich verabschiedet hatte, entschuldigte sich Captain Bauer mit einem verlegenen Grunzen und ließ die Brüder allein in seinem Büro.
    François stand auf, lächelte nervös, ging zu dem großen Schreibtisch und setzte sich auf die Ecke. Mit seiner langgliedrigen Hand fuhr er sich durch den Dreißig-Dollar-Haarschnitt.
    »Hör zu«, sagte er. »Hier geht’s um Arbeit, Brüderchen.«
    Shade nickte bedächtig.
    »Ich bin ganz Ohr.«
    »Also – bei dem Fall gibt’s beaucoup Fußangeln, Rene. Also, wenn einer da auch nur minimal daneben tritt, könnte es der wichtigste Schritt sein, den er je gemacht hat – so oder so.«
    Shade wandte den Blick ab. Er spürte, wie ihm das Blut in den Kopf stieg. Vor anderen Anwälten oder vor Geschäftsleuten oder Frauen in der neuesten Pariser Mode sprach François die offizielle Sprache des Aufsteigers – gut artikuliert, vorsichtig, aber präzise und ohne jede persönliche Note –, doch seinem Bruder gegenüber fühlte er sich verpflichtet, auf das Patois der Lafitte Street und der Kindheit zurückzugreifen. Als könnte er nicht mit Sicherheit sagen, ob Shade überhaupt etwas anderes

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