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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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fing an zu lachen.
    »Die Gebrüder Shade«, grinste er. »Hab doch gedacht, dass ich euch hier treffe.«
    »Ich arbeite hier«, bemerkte Tip. »Hältst dich wohl für ’nen Hellseher, wenn du mich hier findest?«
    »Ach, Gott«, sagte Rondeau zu Shade, »was schlechte Laune angeht, kann man sich auf deinen Bruder immer verlassen.«
    »Normalerweise«, erwiderte Shade und wiederholte im Stillen, ja, normalerweise.
    »Was soll’s denn sein, Slim?«, erkundigte sich Tip.
    »Hast du vielleicht ’nen Karottensaft für mich?«, fragte Rondeau mit todernstem Gesicht.
    »Klar, aber keinen frischen. Nur tiefgefroren.«
    »Ach«, sagte Rondeau. »In diesem Fall nehme ich lieber einen doppelten Whiskey und ein Bier.« Er wandte sich zu Shade, zwinkerte und fuhr sich mit der Hand durch seine spärlichen weißen Haare. »Muss die alte Pumpe pfleglich behandeln.«
    »Ja«, meinte Shade, »ich hab gehört, du hast einen Herzinfarkt gehabt.«
    »Bloß ’nen kleinen Vierrundenkampf. Und ich hab gewonnen.«
    Da er wusste, dass Rondeau als selbstständiger Klempner-Spieler-Witwentröster arbeitete, sagte Shade: »Sicher nicht gut für’s Geschäft.«
    »Ich lauf nicht mehr so schnell, das ist alles. Aber wenn man gewinnt, kann man sich ja Zeit lassen, und wenn man verliert – wozu sich dann beeilen?«
    Tip stellte die Getränke auf die Theke und kassierte.
    Schon wieder ertappte Shade ihn dabei, wie er die Küchentür beäugte.
    Nach einem Schluck Whiskey, den er mit Bier hinunterspülte, begann Rondeau zu erzählen: »Vor ’ner Woche hab ich euren Daddy in Cairo getroffen. War zum Stud-Poker verabredet mit ’nem freundlichen Chicano namens Baroja, der mich aber leider versetzt hat. Schließlich bin ich in ’ner Absteige beim Fluss gelandet, mit grade mal sechs Tischen, und hab ein paar Einheimische beim Neuner zugesehen, da kommt John X höchstpersönlich reinspaziert. Mein alter Held! Er hat ’nen grünen Mantel an, der glitzert, als hätt er ihn aus dem Fluss gefischt und die Kiemen als Armlöcher rausgeschnitten. So großkotzig, wie’s bloß ein beschissener Ire schick finden kann.«
    Tip und Shade sahen sich an. Beide fühlten sich von ihrem Vater im Stich gelassen, und obwohl inzwischen so viel Zeit vergangen war, war ihnen das immer noch unangenehm.
    »Ich nehm noch einen«, sagte Rondeau und klopfte gegen sein leeres Glas. »Er hat mir die Reise finanziert und noch bisschen was extra. Dann hat er ’ne Runde Neuner gespielt, mit ’nem Kerl namens Dickie Venice, der aus New York kommt und keine Augenlider hat. Seine Augen sind immer offen, und man fragt sich, ob sie nicht austrocknen – tun sie aber nicht. Sieht aus wie ein Goldfisch, der Typ, aber Billardspielen kann er, weiß Gott. Allererste Sahne. Beim 9-Ball hatte ich gegen John X gewettet. Aber als sie zu Endlos gewechselt haben, war ich wieder da. War ja auch blöd, da nicht auf ihn zu setzen.«
    Tip brachte ihm seine Drinks.
    »Hat er was davon gesagt, dass er herkommt?« Beim Thema John X wurden Tip und Shade beide ein bisschen schwach. Sie wollten, es wäre anders, denn dann hätten sie ihrem Alten auf ewig die kalte Schulter zeigen können. Aber das war gar nicht so leicht. »Hat er uns irgendwie erwähnt?«
    »Lass mal überlegen«, sagte Rondeau. Er hob sein Glas und trank einen kräftigen Schluck. »Nein, eher nicht«, fuhr er mit leiser Stimme fort. »Er hatte ein paar Freundinnen dabei.« Er sah die Brüder an, die beide schnell wegschauten. »Wahrscheinlich war’s einfach nicht der richtige Ort für Familientratsch, wisst ihr. Mit ein paar weggelaufenen Ehefrauen am Arm kann er ja schlecht über Geburtstage und Abschlussprüfungen reden.«
    »Weggelaufene Ehefrauen«, wiederholte Shade. »Er läuft doch selbst am liebsten vor Ehefrauen weg.«
    »Und er ist immer noch mit unsrer Mutter verheiratet«, fügte Tip hinzu. »Das Arschloch. Da könnte er sich wenigstens nach ihr erkundigen, findest du nicht? Zwischen zwei Spielen, wenn die Kugeln wieder aufgebaut werden, da könnt er doch beispielsweise fragen ›Wie geht’s denn Monique?‹, oder so was.«
    »Das wär ’ne nette Geste«, meinte Rondeau, »aber unter den Umständen ganz schön viel verlangt von dem alten Jungen.«
    Sie schwiegen. Die Küchentür öffnete sich, und heraus kam ein Mann, der sich mit grauen Fingern durch die braunen Haare fuhr. Mit raschen Schritten ging er zu einem Tisch, auf dem ein einsames Bierglas stand.
    Shade wusste genau, dass er den Mann vom Sehen her kannte,

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