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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Lehrling Hank sie frisiert hatte. Die neue Haartracht sollte den Blick auf ihre Augen lenken, die der beste Teil ihres Gesichts waren – jedenfalls hatte man ihr das immer glaubhaft versichert. Und da plumpste plötzlich dieser Blonde, eigentlich noch ein Junge, wie ein Stein aus dem Fenster im ersten Stock, und gleich streckte einer der vor dem Gesetz Gleichberechtigten den Kopf aus dem Fenster und wollte den Jungen erschießen, ohne ersichtlichen Grund. Was konnte so was überhaupt rechtfertigen? Der weiße Junge blutete, allerdings hatte Mrs. Prouxl nicht erkennen können, ob es eine Schussverletzung oder eine andere Wunde war, aber jetzt war sie fast froh, dass sie nicht mehr viel Zeit auf dieser Welt verbringen musste, denn früher hätte es so was nicht gegeben, und das war eben das moderne Leben. Da wechselte sie doch lieber das Programm, sozusagen ein für alle Mal.
    Shade dankte ihr so überschwänglich, dass es ihm selbst fast peinlich war. Dann ging er zurück zu Blanchette.
    »Bis jetzt passt alles noch nicht so recht zusammen«, sagte Shade. »Aber es nimmt allmählich Gestalt an.«
    »Mhm.« Blanchette saugte an der Unterlippe. »Crane und dieser Cobb lassen sich leicht unter einen Hut bringen. Aber hat das Ganze auch was mit Rankin zu tun?«
    »Was glaubst du?«
    »Ich glaube ja.«
    »Ich auch.« Shade beobachtete, wie Mrs. Prouxl wegging und von ein paar Schaulustigen auf der anderen Straßenseite mit Fragen bombardiert wurde. Sie presste ihre Handtasche an den Bauch und würdigte keinen der Neugierigen auch nur eines Blickes.
    »Grandma hat mich auf ein paar Ideen gebracht. Ich seh mir mal die Gasse an.«
    »Das haben wir schon getan.«
    »Ich seh lieber noch mal nach. Damit wir ganz sicher sind.«
    »Wenn du unbedingt willst. Soll ich auf dich warten?«
    »Nein.«
    Die Gasse bestand hauptsächlich aus Schlaglöchern, in die man ein paar Schaufeln Kies geworfen hatte, und bot hier, hinter den verwahrlosten Häusern der Voltaire Street, einen wunderbaren Einblick in eine Gegend, in der es nichts Wunderbares zu entdecken gab. Die Mülltonnen hinter dem Friseursalon stanken nach Dauerwellenflüssigkeit und einer zerbrochenen Flasche von Eau de Irgendwas.
    Hinter dem zerbrochenen Fenster, durch das Jewel entwischt war, brannte eine nackte Glühbirne, sodass Shade ganz deutlich die Scherben im Fensterrahmen erkennen konnte. Kein Wunder, wenn der Junge sich an denen geschnitten hätte! Der Sprung hinunter auf die Gasse war nicht lebensgefährlich, aber es konnte gut sein, dass er sich dabei ebenfalls verletzt hatte.
    Shade ging nach Süden, bis die Gasse in eine Straße mündete, dann bog er links ab, kauerte sich unter das hellerleuchtete Fenster eines Donutshops, wo es durchdringend nach Konditorei duftete, und inspizierte den Gehweg. Gebückt schlich er weiter, was ihm neugierige Blicke von Passanten einbrachte. Dann entdeckte er, wonach er gesucht hatte. Behutsam tupfte er den Finger in das feuchte Beweismaterial und hielt ihn ans Licht. Blut.
    Die rote Spur ließ sich leicht verfolgen, auch wenn sie manchmal undeutlich war und lange Zwischenräume hatte. Shade folgte ihr über Straßen und um Ecken herum, bis er zu einer Telefonzelle kam, die auf Brusthöhe einen verschmierten Blutfleck aufwies. Er spähte in die Zelle, aber dort sah er nur ein zugeschlagenes Telefonbuch und noch mehr Blut. Shade wusste, dass der Junge bald am Ende seiner Kräfte sein musste, wenn er die Blutung nicht zum Stillstand brachte. Natürlich kann er sich ein Taxi oder einen Freund suchen und einfach von der Bildfläche verschwinden, dachte Shade. Aber im Moment war die Blutspur sein einziger Hinweis.
    Gut fünfzig Meter weiter verließ ihn das Glück – die Blutspur hörte auf. Shade stand an der Ecke Rousseau und Clay Street, diagonal gegenüber der Lafitte Street und einer kleinen Gasse. Von hier aus konnte der Junge ein Dutzend verschiedene Richtungen eingeschlagen haben, und ohne die verräterischen Tröpfchen konnte man ihn unmöglich verfolgen.
    Shade lehnte sich an einen Laternenpfahl und wollte verschnaufen, aber die Luft war nicht erfrischend, sondern stank bestialisch. Die Hitze ließ das Wasser verdunsten und den Fluss quasi im eigenen Saft schmoren. Shade schnitt eine Grimasse, schnüffelte an seinem Hemd und schnitt eine noch üblere Grimasse.
    Die Catfish Bar lag nur einen Block entfernt in der Lafitte Street, und Shade, der fand, dass ein paar Glas Bier seine detektivischen Fähigkeiten enorm aufpeppen

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