Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
mir.«
»Wovon redest du überhaupt, Claude?«
»Von dem Mädchen drüben in der Voltaire Street, auf das die Schwarzen geschossen haben.« Lyons legte Shade die Hand auf den Arm und beugte sich näher zu ihm. »Das kannst du mir doch sicher verraten – stimmt es, dass sie schwanger war?«
»Wo ist das passiert?«
»Direkt hier, die Voltaire Street runter, Mann. Warst du beim Fischen, oder was? Vor einer Weile ist ’ne ganze Busladung Schwarzer angerauscht, und die haben dann das schwangere Mädchen gekillt. Haben durch sie durch dem Baby in den Kopf geschossen und beide umgebracht.«
»Bist du sicher?«
»Hab ich im Laden von Leo gehört.«
»Dann geh ich lieber mal hin.«
»Mach keine Witze, Mann«, sagte Lyons. »Und glaub mir, Rene – hier freut sich keiner, wenn diese Scheiße wieder losgeht. Hab gedacht, alles wär geregelt.«
Shade eilte zur Voltaire Street, seinen ganzen Spürsinn auf sonderbare Zufälle ausgerichtet. So viele Schießereien hatte es in Saint Bruno nicht mehr gegeben, seit Auguste Beaurain Frogtown 1967 von den Spaghettifressern aus St. Louis gesäubert hatte. Und die Auseinandersetzung damals hatte wenigstens einen gewissen Bürgerstolz vermittelt, den man im gegenwärtigen Blutbad vergeblich suchte.
Die gelangweilten Zuschauer vom Chalk & Stroke standen noch immer auf dem Gehsteig und diskutierten über die Ereignisse auf der anderen Straßenseite. Da standen sie in finsteren Grüppchen, die Überlieferer der lokalen Legenden mit ihrem losen Mundwerk, und verinnerlichten jedes Detail für endlose Nacherzählungen.
Shade schlängelte sich zwischen ihnen hindurch, und im Vorbeigehen bekam er mit, wie mehrere wütende Stimmen Rache schworen.
Zwei uniformierte Streifenbeamte standen an der schmalen Tür, die zwischen Connie’s Hair Salon und dem Olde Frenchtown Antique Shop ins obere Stockwerk führte.
Gerade kam Blanchette die Treppe herunter. Als er Shade entdeckte, schüttelte er den Kopf und hob seine dicke Pranke gen Himmel.
»Shade, ich hab dich überall gesucht – hier geht irgendwas vor, und wir wissen nicht, was.«
»Was ist denn passiert? Drüben in der Lafitte Street hat mir einer erzählt, dass eine Frau erschossen wurde.«
»Nee«, erwiderte Blanchette.
»Von Schwarzen.«
»Der Teil ist korrekt. Aber das Mädchen, wohl so ’ne Unschuld vom Lande mit Titten so groß wie dein Kopf – die stirbt nicht. Alles voller Blut, aber so schlimm hat’s sie eigentlich nicht erwischt.«
Shade deutete nach oben. »Gibt’s was zu sehen?«
»Blut. Eine Gitarre. Ein paar kalte Fischstäbchen.«
»Hmm.«
»Willst du wissen, wer das Mädchen ist?«
»Sag’s mir, How.«
»Okay. Sie heißt Susan Magruder. Besser bekannt als die Freundin eines Bauerntrampels namens Jewel Cobb.« Blanchette lachte in sich hinein. »Also, vom Namen her stellst du dir da darunter vielleicht ’nen Schwarzen vor, aber da liegst du völlig falsch. In Wirklichkeit ist er um die zwanzig, ohne – und jetzt wird’s interessant – ohne erkennbare Einkommensquelle und mit einem blonden Haarschopf, den er auftürmt wie Elvis persönlich.«
Das war keine große Überraschung.
»Ich hatte schon vermutet, dass der es sein könnte.«
»Zwei, drei schwarze Gangster kommen hier reingeschneit«, berichtete Blanchette weiter, »und unser kleiner Blondschopf macht einen Hechtsprung aus dem Fenster zum Hinterhof. Miss Titty überlässt er den Niggern, und sie versteckt sich im Klo. Aber einer von den Gangstern kennt wohl den Trick, und schon schickt er ein paar herzliche Grüße durch die Tür. So kriegt die arme Titty ein paar Holzsplitter in die Schulter, und eine Kugel reißt ihr ein Stück Fleisch aus dem Oberschenkel.« Mit einer Kopfbewegung wies Blanchette auf eine blauhaarige Frau in einem Streifenwagen. »Sie hat unseren Blondschopf aus dem Fenster springen sehen. Und einen der Kerle, die auf ihn geschossen haben, hat sie auch zu Gesicht gekriegt. Aber sie ist vollkommen außer sich, weißt du. Eine Lady hier aus dem Viertel, die findet es gar nicht richtig, dass die Schwarzen einfach hierherkommen und auf einen Weißen ballern, selbst wenn sie ihn nicht kennt.«
Inzwischen war es fast dunkel, aber die Hitze des Tages hing noch in der Luft – Schweißperlen auf den Gesichtern, die Stimmung gereizt und keine Besserung in Sicht.
Shade redete ein paar Minuten mit Mrs. Prouxl, der blauhaarigen Lady. Sie erzählte ihm, sie sei gerade aus dem Friseursalon gekommen, wo nicht Connie, sondern der
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