Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
mal was sagen – ich hab Ledoux gerade gesehen. Der Kleine ist mir durch die Lappen gegangen, aber im Catfish ist mir Ledoux über den Weg gelaufen.«
»Ledoux ist ’ne richtige Sumpfkröte, wohnt draußen in der Tecumseh Street, kurz bevor man im Marais du Croche versinkt. Jemand sollte ihm ’nen Besuch abstatten, finde ich.«
»Ich mach das.«
»Aber sei bloß vorsichtig. Pete Ledoux gehört zu den Typen, die noch einen Salto rückwärts machen, wenn sie eine Dampfwalze auf sich zukommen sehen. Der Typ ist kein Leichtgewicht.«
»Ich werde meine besten Manieren an den Tag legen.«
»Außerdem«, fügte Blanchette hinzu, und seine Stimme senkte sich zu einem verschwörerischen Flüstern, »außerdem hat eine Miss Webb für dich angerufen. Sie hat zwar keine Nachricht hinterlassen, und ich bin auch kein Seelenklempner, aber ich glaube, ich weiß, was sie wollte.«
»Ja, aber heb dir das Rätselraten auf, bis du mit dir selbst allein bist.«
»Ich wollte doch bloß ’nem Kumpel unter die Arme greifen.«
»Gib mir lieber Duncan Cobbs Adresse«, sagte Shade. »Ich glaube, ich setze mal den Nova in Gang und schau bei ihm vorbei.«
»Tu das. Er wohnt 1205 Twelfth Street«, antwortete Blanchette. »Ich muss zum Bürgermeister und ihm erklären, weshalb die Stadt gerade explodiert. Am besten schieb ich’s aufs Wetter.«
17
Lichter ganz verschiedener Helligkeit und Farbe verliehen dem Dunkel der nächtlichen Straßen eine Form wie ein Bildhauer seiner Skulptur: das Rot vom Boy O Boy Chicken Shack war wie eine kurze Bewegung des Handgelenks, das Grün von Johnny’s Shamrock ein gezielter Pinselstrich, der Regenbogen in Irvings Cleaners ein leichtes, stetiges Kratzen. Straßenlaternen und Hauslichter schabten ihren Teil der Schwärze weg, doch die Nacht war kräftig und setzte sich trotzdem durch.
Powers Jones saß auf dem Rücksitz seines roten Thunderbird; der Ford hatte ausgedient. Lewis Brown und Benny, sein unglaublich cooler Fahrer, saßen vorn. Man hatte Lewis dem jungen Thomas vorgezogen, der jetzt in einem doppelt verriegelten Raum hockte und sich einzureden versuchte, dass er nur deshalb so zitterte, weil er kein Abendessen gehabt hatte.
»Dieser Kerl, der Vetter«, erklärte Powers, während sie gemächlich ums Carre fuhren. »Unser Verbindungsmann bei den Cops sagt, dass er auch für diesen Frog Ledoux arbeitet. Ihm haben wir den ganzen Schlamassel zu verdanken.«
»Will ich gar nicht wissen«, meinte Lewis und hob das Kinn. »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.«
Lewis war dreißig Jahre alt, hatte Dreadlocks, einen Bauchansatz und marihuanaglitzernde Augen. Trotz seines Umfangs und seiner geringen Größe machte er durchaus keinen weichlichen Eindruck.
»Cool«, sagte Powers. »Total cool.«
Auf der nächsten Runde fuhr Benny an den Bordstein und parkte vor Johnny’s Shamrock.
Das Fenster der Bar vibrierte, denn es ging hoch her beim gutgelaunten Besäufnis der Stammgäste, deren Alkoholpegel seinem Höhepunkt zusteuerte. Guinnessgläser, irische Hüte und dicke Zigarren wogten durch die blauen Rauchschwaden und das lautstarke Gewirr hoher Tenorstimmen.
»Da drin ist er«, erklärte Powers. »Säuft sich einen an, wie’s bei denen Sitte ist. Die müssen erst was intus haben, bevor sie loslegen können. Bei mir ist’s umgekehrt.«
»Mhm«, brummte Lewis zustimmend. »Die sind einfach zu lasch für die Anforderungen des heutigen Lebens.«
»Stimmt. Außer den Frogs.«
»Richtig. Absolut richtig. Wie kommt das bloß?«
Powers strich sich nachdenklich den Bart.
»Die sind zu kurz und zu dick, um Sport zu treiben und zu faul zum Arbeiten«, meinte er schließlich mit einer gewissen Wehmut. »Aber sie brauchen das Prestige, daher können sie sich tatsächlich zusammenreißen, wenn’s drauf ankommt.«
»Prestige braucht doch jeder«, meldete sich jetzt Benny zu Wort, der in der Besserungsanstalt von Boonville als Bibliothekshilfe gearbeitet und sich eine weltmännische Halbbildung angeeignet hatte. »Chinesen, Araber, Texaner – die sind doch alle gleich, wenn’s ums Prestige geht.«
»Ach, wirklich?«, meinte Powers sarkastisch. »Weißt du was, Benny – du quasselst zu viel. Warum schluckst du nicht noch ’n paar Downer, hä?«
»Downer?«, wiederholte Lewis. »Steht der Junge auf Downer?«
»Aber ich kann trotzdem fahren«, sagte Benny. »Ich hab vor nichts Angst.«
»Auf der Straße? Kannst du auf der Straße fahren?«, fragte Lewis. »Das ist doch Schwachsinn, das
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