Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)
Heiterkeit.
Ihm war bewusst, dass es vielleicht das letzte Lachen seines Lebens war, aber dadurch wurde es auch nicht lustiger.
Nach einer Weile ließ er sich zu Boden sinken. Selbst der Chor der Ochsenfrösche, die bei seiner Ankunft in Schweigen verfallen waren, erkannte rasch, dass sich hier ein wenig bedrohlicher Trottel näherte, und begann erneut mit seinem amphibischen Blues. Ihr Gequake bewirkte, dass Jewel sich weniger einsam fühlte, aber er konnte sich dennoch nicht entspannen. Er nickte im Rhythmus des Honkytonk-Getrötes und versuchte, ruhig und regelmäßig zu atmen, denn verräterische Geräusche wurden vom Wasser weitergetragen, und Wasser gab es hier überall.
Duncan, Vetter Duncan Fettbacke. Wenn ich den wiedersehe – und das werd ich bestimmt eines Tages –, dann tret ich ihm in den Arsch, dass er zweimal um den Häuserblock fliegt, und pisse auf die Blutflecken. Jawoll.
Schlangen. Jewel hatte das Gefühl, dass es überall auf dem überwucherten Boden von Schlangen wimmelte. Glitschige Körper und glitschige Wurzeln waren im Schatten nicht zu unterscheiden. Alles hier konnte sich als Wassermokassinschlange entpuppen, die nur darauf wartete, ihr Gift in Jewels Knöchelvenen zu spritzen, und das wäre das Ende. Die Gegend hier war berüchtigt für die Viecher. Giftzähne überall.
Er durchwühlte seinen Rucksack nach einer trockenen Zigarette, die er dann mit dem Feuerzeug anzündete, Risiko hin oder her. Die Erschöpfung und der endlose Stress hatten seine Gliedmaßen so geschwächt, dass sie zitterten. Jetzt bestand sein Leben nur noch aus den Träumen in seinem Kopf, und er rief sich die Höhepunkte ins Gedächtnis. Zeiten, in denen er Spaß gehabt, in denen er gekämpft und gesiegt hatte. Situationen, in denen er unterlegen war. Dieser oder jener Plan. Aber alles schien mit einem »Scheiße, das hätt ich nicht tun sollen« zu enden.
Jetzt wollen sie, dass ich tot bin. Kalt wie Stein, unter der Erde.
Jewel warf die Zigarettenkippe im hohen Bogen von sich, und sie verschwand augenblicklich, ohne auch nur eine Rauchspur in der Luft zu hinterlassen.
Ja – so war das.
Pete Ledoux hatte es geschafft, die Flinte wieder funktionsfähig zu machen, und als er zum Haus zurückkehrte, hatte Peggy die guten Patronen gefunden, was ihm den Wunsch einflößte, Gott den Hals umzudrehen. So viel in seinem Leben war nach diesem Schema abgelaufen – wenn er schließlich bekam, was er wollte, war es zu spät, das Gewünschte längst unwichtig oder einfach nicht gut genug.
Seine ganze Existenz war total verfahren und durch nichts mehr zu retten. Da plant man alles wie eine extravagante Reihe aufgestellter Dominosteine, aber wenn dann der erste Stein seitwärts kippt statt nach vorn, ist das ganze mühsam ausgedachte Muster im Eimer. Dann muss man improvisieren. Was unweigerlich Probleme mit sich bringt.
Dieser kleine Dreckskerl von Cobb musste irgendeinen Schutzengel haben. Und so was ließ sich sowieso nie einplanen. Man konnte nie ahnen, wer wann gerade Glück hatte und warum. Diskussionen über Gerechtigkeit eigneten sich höchstens für Kinder und Pfarrer.
Ledoux’ Gesicht war inzwischen eine Kraterlandschaft von Mückenstichen. Da vergaß man einmal sich einzureiben, und schon wurde man von jedem einzelnen Moskito im Wald angezapft. Die stürzten sich auf einen wie die kleinen Dealer an der Ecke, wenn sie einen drogensüchtigen Iren erspähen, der versucht, auf der Seventh Street einen Schuss zu ergattern. Als hätte man was zu verschenken.
Das Mondlicht schimmerte auf dem Wasser zwischen den Bäumen. Ledoux stellte den Motor ab und bewegte das Boot vorwärts, indem er sich an den herunterhängenden Zweigen und Ranken weiterhangelte. Anscheinend hatten alle Pflanzen hier Dornen, und diejenigen, die keine hatten, waren von Natur aus spitz. Er spürte, wie das Blut aus seinen Händen quoll.
Unter den Bäumen wimmelte es von dunklen Kreaturen. Eilig herumhüpfende Wesen, die krächzten und schnatterten, und dicke, freche, die ihn anstarrten – das konnte er spüren. Hier gab es Kaninchen, die schwimmen, Eichhörnchen, die fliegen und Rotluchse, die beides nicht konnten, am Ende aber doch immer reichlich zu futtern bekamen. Irgendwie war das wohl ein Naturgesetz.
Nichts von all dem war neu für Ledoux: weder der nächtliche Sumpf noch mörderische Verfolgungsjagden noch das Töten. Die Geräusche verwirrten ihn so wenig wie das Jagdfieber. Und als er etwas hörte, das ihn die Ohren spitzen
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