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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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gepflegt wurde. Weiter flussaufwärts kam die Southside: unterprivilegierte, aber stolze Straßenzüge, wo die Architektur vom einfachen Quadrat bestimmt war – was natürlich niemandem ein übertriebenes ästhetisches Vergnügen bereitete. Dann war da die riesige Innenstadt, wo tagsüber, im Zentrum eines Lagerhausdistrikts, der Stadtrat residierte, und bei Nacht die Alkoholiker und andere verlorene Seelen ihre bevorzugten Absturzstellen aufsuchten. Auf dem Hügel am Flussufer erstreckte sich der Frechette Park, eine überraschend gepflegte Grünanlage, und daneben Pan Fry, das Schwarzenviertel, wo sich die offiziellen Sanierungsplaner mit manch hochfliegendem Projekt ausgetobt und Träume vom besseren Wohnen genährt hatten. Wieder hügelabwärts lag Frogtown, das dem Sumpf abgerungene Paris der weißen Unterschicht, wo der breite braune Fluss mit seinem fauligen Wasser das Leben mit seinem Geruch prägte und dafür sorgte, dass jeder mit beiden Beinen fest auf dem Boden blieb. Und dort unten, in einer Frogtownstraße mit klapprigen Holzbauten, stand an diesem noch jungen Tag Detective How Blanchette auf der Veranda eines Hauses, das eine gewisse Miss N. Webb gemietet hatte, und hämmerte gegen die Tür.
    Schließlich öffnete sich die schwere Innentür, und Rene Shade streckte den Kopf durch den Spalt.
    »How.«
    »Tut mir leid, Rene. Die Arbeit ruft.«
    »Komm rein.«
    Shade zog sich ins Wohnzimmer zurück, ein Raum, der von zahlreichen Amerikaplakaten aus italienischen Reisebüros beherrscht wurde, sowie einem riesigen Perserteppich, über dessen kompliziertes Muster diagonal ein abgetretener Pfad führte. Erschöpft ließ sich Shade, der nur ein schwarzes T -Shirt anhatte, auf die Couch sinken und beugte sich vor, um sein Knöchelhalfter umzuschnallen.
    »Ich fühl mich total behämmert«, sagte er, »und ich hab keine Ahnung, wo meine Hose geblieben ist.«
    Blanchette hielt ein khakifarbenes Stoffbündel hoch und warf es seinem Partner zu.
    »Hab ich auf der Veranda gefunden, du Perversling.«
    »Ah, ja«, sagte Shade, rotäugig grinsend. »Jetzt erinnere ich mich.« Er stand auf und zog die Hose an: »Hey, in ungefähr einer Stunde beginnt mein Urlaub, How.«
    »Wohl kaum.«
    »Wohl doch«, erwiderte Shade. »Wir sind schon beinahe unterwegs in die Ouachitas, um die Adler mit Fisch zu füttern und im Schlamm zu schlafen.«
    How Blanchette hatte sandfarbenes Haar und war auf ungemütliche Weise rundlich, er hatte ein unschuldiges Mondgesicht und war über die Maßen zynisch. Der Porkpie-Hut war bei ihm nie aus der Mode gekommen, und jetzt trug er wie üblich seinen schwarzen Ledermantel, der ihn – daran glaubte er steif und fest – mindestens zehn Kilo schlanker machte. Sein Hemd und seine Hose waren Teil eines riesigen Karostoff-Sonderpostens, den er irgendwann einmal ergattert hatte. Außerdem rauchte er eine Zehncent-Zigarre.
    »Der Captain hat deinen Urlaub gestrichen«, sagte er. »Wir haben’s mit ’ner ernsten Sache zu tun.«
    »Nichts kann so ernst sein, dass es mich hier festhält, wenn die Forellen auf mich warten.«
    »Rene, ein Cop ist ermordet worden. Man hat viermal auf ihn geschossen und ihn dann in der Notaufnahme vom Saint-Joe-Spital abgeladen.«
    »Wen hat’s erwischt?«
    »Irgendeinen Streifenpolizisten namens Gerald Bell – kennst du ihn?«
    »Glaub nicht. Vielleicht hab ich ihn schon mal irgendwo gesehen.«
    »Tja, ich hab ihn grade gesehen, und er sieht irgendwie nicht mehr nach irgendwem aus.«
    Shade rieb sich die Wangen und fuhr sich mit den Händen durch die Haare.
    »Ich will sie nicht aufwecken«, sagte er. »Ich schreib ihr ’nen Zettel.«
    »Dann mach schnell«, sagte Blanchette, streckte den Kopf vor und schnüffelte dreimal. »Und wasch dir das Gesicht. Du riechst wie alter Fisch.«
    Blanchette fuhr den Dienst-Chevy, und Shade folgte ihm in seinem blauen Nova. Sie durchquerten die Stadt Richtung Southside, wo Gerald Bell mit seinem Vater gewohnt hatte.
    Das kleine quadratische, weiße Haus lag ganz am Ende der Nott Street über einer kleinen Schlucht, in der sich ausrangierte Kühlschränke, rostige Blechdosen und Müll unterschiedlichsten Alters türmten – ein attraktiver Tummelplatz für kleine Jungen und Krankheitserreger.
    Shade und Blanchette gingen die Steinstufen zur Seitentür hinauf, die, wie sie aus langer Erfahrung wussten, direkt in die Küche führte. Die Innentür stand offen, durch das Fliegengitter drang Musik, und ein köstlicher Essensgeruch stieg

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