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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Theke und langen Gemeinschaftstischen.
    Shade und Blanchette saßen an der spärlich beleuchteten Theke. Grif Rosten, der schlaksige, knorrige Besitzer des Lokals, lehnte sich am anderen Ende über den Tresen und hielt im Rahmen einer ziemlich einseitigen Konversation zwei jungen Lastwagenfahrern einen Vortrag über den Aufstand am Haymarket, die Reuther-Brüder und andere Themen, die seinen Zuhörern entsetzlich abgestanden erschienen und keinerlei Interesse hervorriefen. In den dreißiger Jahren war Grif in einem Güterwagen von der Westküste gekommen, wo er angeblich Harry Bridges und Max Baer gekannt und Erfahrungen mit orientalischen Liebesspielen gesammelt hatte. Obwohl seine historischen und kulturellen Ergüsse ihm häufig Angebote für eine Busfahrkarte zurück nach Oakland einbrachten, sorgte sein Essen dafür, dass das Lokal immer gerammelt voll war.
    »Also«, sagte Blanchette, »ich hab das Gefühl, es wird sich herausstellen, dass Officer Bell kurz davor war, zu einem Skandal zu werden. So seh ich das jedenfalls. Hey, Grif! Grif, hier hat jemand Hunger!«
    »Es war nicht Willie Dastillon«, bemerkte Shade, während Rosten sich ihnen langsam näherte. »Willie stiehlt vielleicht ein Huhn, aber er zerdeppert bestimmt kein Ei.«
    Rosten hatte eine leicht überdimensionierte Nase und lange dünne Haare, die sich im Nacken kräuselten. Jetzt stand er hinter dem Tresen und wischte sich die Hände an einer großen roten Schürze ab, die er immer trug und die die kreisförmig gestickte Aufschrift Texas Chili Burn-Off trug.
    »Oh«, sagte er, »der Fette und der Boxer sind hungrig. Da schreien sie mich einfach an. Das war doch geschrien, oder? Klang jedenfalls so, finde ich. Geschrien, gebrüllt.«
    Shade war für Rosten nur ein Kunde, aber er wusste, dass Blanchette und Grif hinter einer Fassade gegenseitiger Beleidigungen eigentlich befreundet waren. Eine jener seltsamen Verbindungen zwischen zwei diametral entgegengesetzten Persönlichkeiten. Soweit Shade wusste, gingen die beiden oft zusammen auf Entenjagd, tranken eine Flasche Glenlivet oder fuhren in die Beale Street und machten einen drauf.
    »Rosten, wir haben’s eilig«, knurrte Blanchette. »Ich krieg das Übliche. Und du, Rene?«
    »Tomatensaft«, antwortete Shade. Seine Zunge fühlte sich noch immer pelzig an, er hatte einen Geschmack im Mund, der ihn an einen dreckigen Kneipenfußboden erinnerte, und seine Augen waren trocken. »Und Buttermilchbrötchen mit Soße.«
    Rosten notierte die Bestellung auf einen kleinen Block.
    »Hast ’n Kater, Shade?«
    »Sieht so aus.«
    »Na, na!«, sagte Rosten und zog die Augenbrauen hoch. »Bist du eigentlich je auf die Idee gekommen, dass du ’n kleinen Dachschaden hast, Shade? Hast du dich nie gefragt, ob der alte Foster Broome dir vielleicht irgendwas Wichtiges aus dem Hirn geboxt hat?«
    »Ja, hat er«, sagte Shade und blickte Grif mit roten Augen grimmig an. »Und ich weiß auch, was er mir rausgehauen hat, nämlich all die Regeln, warum junge Kerle keine alten weißhaarigen Klugscheißer verprügeln dürfen, bloß um zu hören, wie’s klingt. Ich muss mich immer gewaltig anstrengen, damit ich diese Regeln nicht vergesse, Grif. Da bin ich echt wie vernagelt. Ist ein schönes Geräusch, wenn jemand verprügelt wird. Bring uns was zu essen, o.k.?«
    »Hey«, rief Rosten auf dem Weg in die Küche über die Schulter, »ich informier dich ja bloß über die neuesten medizinischen Erkenntnisse, Kumpel.«
    Als Rosten verschwunden war und das Besteckgeklapper das Schweigen noch öder machte, sagte Blanchette: »Nimm’s nicht so tragisch, Rene. Wenn wir gegessen haben, kannst du nach Hause gehen, duschen und so weiter. Wir müssen uns voll auf den Fall konzentrieren, bis wir den Scheißkerl gefunden haben, verstanden?«
    »Ja«, antwortete Shade. »Rosten ist ja in Ordnung. Ich weiß, dass er dein Kumpel ist.«
    »Vergiss es«, sagte Blanchette. Er paffte an einer aufgeweichten Zigarre, immer noch in Mantel und Hut. »Wenn du geduscht hast, besuchst du Willie. Ich mach mich auf den Weg zurück zur Second Street. Angeblich ist da Thomas Mouton, Bells Partner. Du gehst zu deinem alten Kumpel Willie und triffst mich und Mouton dann im Revier.«
    »In Ordnung«, sagte Shade. »Falls ich’s schaffe, wach zu bleiben.«
    »Willst du ’ne Black Beauty, Schlafmütze?«
    »Nee«, antwortete Shade. »Ich rede nur Müll, wenn ich das Zeug geschluckt hab.«
    »Gut«, sagte Blanchette, »ich weiß sowieso nicht, ob ich noch

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