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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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Spieler?«, fragte Shade.
    »Nee, aber er hat’s versucht.« Bell griff in das Gewürzregal über dem Herd, holte eine Dose gemahlenen Cayennepfeffer heraus und streute etwas über die Soße. »Wenn er an einem Tag gewonnen hat, hat er am nächsten garantiert verloren. Er hat es nie hinbekommen, dauerhaft Gewinne zu machen. Ich denke, er gehörte zu der Sorte von Spielern, die echte Spieler gern an ihrem Tisch sehen.«
    »Dann war er also eher ein Verlierer, was?«
    »So hat er’s nicht ausgedrückt.« Jetzt nahm Bell willkürlich irgendwelche Gewürze und streute sie in einer sicherlich originellen und reizvollen Mischung in die Sauce. Der große Löffel kratzte beim Rühren am Topfrand. »Nein, er selbst hat sich nie als Verlierer bezeichnet. Er hat behauptet, er hätte ein System.« Der Alte wirkte auf einmal viel älter, schwach und weinerlich. »Ihr Jungs habt mir buchstäblich den Boden unter den Füßen weggezogen.« Er wandte sich um und lehnte sich gegen die Anrichte, den Rührlöffel in der schlaff herunterhängenden Hand, sodass die rote Soße sein Bein hinuntertropfte. »Ich werd euch was erzählen, was ihr ohnehin früher oder später selbst rausgefunden hättet. Ich glaube, Gerry hatte irgendwo Schulden oder so. Und ich hab gehört, er ist beim Würfeln Schmiere gestanden und solche Sachen. Das hab ich gehört, aber wenn ich ihn drauf angesprochen hab, wollte er mir keine Antwort geben. Er hat bloß gesagt: ›Wir müssen beide essen, Pop‹.« Jetzt bemerkte Bell die Soße auf seinem Bein und legte den Löffel zurück auf den Herd. »Ihr seid doch aus der Gegend, Leute, ihr wisst, wie das ist. Immer dasselbe. Hier wettet doch fast jeder – welche Seite vom Regentropfen trocken ist, an welchen Hydranten der nächste Hund pinkelt. Glücksspiel war hier doch schon immer mehr oder weniger erlaubt.«
    »Hören Sie«, sagte Shade, »wir werden nichts unternehmen, wodurch Ihr Sohn in ein schlechtes Licht gerät.« Er griff nach der Flasche Rebel Yell, schnupperte und drehte den Verschluss wieder zu. »Was verschweigen Sie uns, Mr. Bell?«
    »Ich hab noch was gehört. Vor einer Weile war ich in Johnny’s Shamrock, und da haben sie sich über Gerry unterhalten.«
    Blanchette tauchte den Löffel in die blind gewürzte Sauce, roch daran und kippte sie schnell zurück in den Topf.
    »Spuck’s aus, Kumpel«, sagte er. »Worüber haben die im Shamrock geredet?«
    »Also, Sie sind wirklich ein verflucht taktloser Motherfucker, was?«, sagte Bell und fuchtelte mit seinem schwieligen Zeigefinger vor Blanchettes Gesicht herum.
    »Meine Mutter ist tot«, erwiderte Blanchette mit dem leichten Grinsen, das er immer aufsetzte, wenn ihn jemand mit einem Schimpfnamen bedachte. »Der Rest ist ein Charakterzug.«
    »Ach so«, sagte Bell. »Ein Defektiv.« Er ließ den Arm wieder sinken. »Im Shamrock hab ich gehört, dass Gerry möglicherweise mit der Kniescheibe eines Frogtowners Baseball gespielt hat.« Bell hob beide Hände. »Er ist nicht mehr unter uns, stimmt’s? Aber das haben sie über ihn gesagt.«
    Shade erhob sich vom Tisch und drückte dem zitternden alten Mann die Whiskeyflasche in die Hand.
    »Haben die auch erwähnt, wessen Kniescheibe das war?«, fragte er.
    »Mhmm.« Bell nahm einen kräftigen Schluck Sour Mash und schniefte. »Willie Dastillon, kennt ihr den?«
    »Wie ein Hund seine Flöhe«, antwortete Shade. »Wir werden das überprüfen. Haben Sie Verwandte, die sich heute ein bisschen um Sie kümmern können?«
    »Klar«, sagte Bell. »Ihr Cops solltet die Sache in Ordnung bringen, bevor wir das erledigen. Ich war früher mal ein ziemlich harter Kerl.«
    »Bauen Sie bloß keinen Scheiß«, entgegnete Shade. »Machen Sie ’ne Totenwache oder beten Sie oder sonst was, aber kommen Sie uns nicht in die Quere. Ihr Sohn war einer von uns, Mister, und deshalb erledigen wir das.«
    »Dann mal los.« Bell wandte sich zum Herd und seiner blubbernden Soße. Plötzlich zuckte er zusammen, packte den Topf mit bloßen Händen und schüttete das ganze Zeug auf einmal ins Spülbecken, dass es nur so spritzte. Dann hielt er die Hände schnell unters kalte Wasser und sagte: »Hab keinen Hunger mehr.«
    Grif’s Grubbery, ein Coffee-Shop im Erdgeschoss eines Lagerhauses am Stadtmarkt in der Innenstadt, servierte Frühstück und Mittagessen. Draußen hing kein Schild, aber dank vierzig Jahren Mundpropaganda waren die Stufen zur Eingangstür ausgetreten und glatt. Der Raum war dreieckig und gemütlich, mit einer kurzen

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