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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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sagen können, oder?«
    »Ich würde gern«, antwortete Rosten, »aber ich bin nun mal mit bedingungsloser Ehrlichkeit geschlagen.«
    Auch Shade warf einen Dollar fünfzig neben seinen Teller, verließ dann mit Blanchette die Grubbery und trat über die ausgetretenen Stufen hinaus auf die Straße. Es war Rushhour, es wurde gehupt, Gangschaltungen knirschten, Menschen trotteten mit gesenktem Blick die Straßen entlang.
    Als sie zum Parkplatz kamen, fragte Shade: »Hast du nicht vielleicht doch irgendeinen Upper dabei, How?«
    »Ich dachte, du willst keinen.«
    »Will ich auch nicht, aber ich brauch ihn. Ich bin vollkommen fertig, Mann. Ich hab mich bis vier oder fünf heute früh volllaufen lassen.«
    Blanchette zog die Brieftasche heraus und holte aus dem Kreditkartenschlitz eine Alka-Seltzer-Folie, die er Shade überreichte. »Ich hab bloß das hier«, meinte er. »Aber das bringt dich auch auf Zack.«
    Auf dem Weg zu seinem Wagen rief Shade ihm nach: »Bloß für den Fall, dass es nicht anders geht.«
    »Na klar, Kumpel«, rief Blanchette zurück. »Aber ich wette, dass dieser Fall eintritt.«

5
    Nach dem Frühstück beschloss Shade, die empfindlichen Nasen seiner Umwelt nicht länger zu quälen und fuhr nach Hause, um zu duschen. Sein Apartment war ein historisches Kuriositätenkabinett, mit Möbeln aus den Fünfzigern und einer sanitären Einrichtung aus den Vierzigern. Es lag im zweiten Stock eines Backstein-Reihenhauses, erbaut von französischen Handwerkern, die allesamt schon mindestens hundertzwanzig Jahre tot waren.
    Im Erdgeschoss wohnte Shades Mutter, die im ehemaligen Ess- und Wohnzimmer einen Billardsalon führte. Obgleich sie offiziell noch immer mit dem Herumtreiber John X Shade verheiratet war, hatte sie zu Geschäftszwecken wieder ihren Mädchennamen angenommen und nannte ihr bescheidenes Etablissement »Ma Blanquis Billardsalon«.
    Nach Irish Spring duftend trat Shade aus der Dusche, trocknete sich ab und zog leichte Baumwollsachen an. Da es im Lauf des Tages immer heißer werden würde, wählte er eine weite, weiße Bundfaltenhose, einen gelben Pulli, der locker herunterhing und die Pistole an seinem Gürtel verdeckte, und schlüpfte barfuß in seine stinkenden, weißen Treter, in denen er seiner Meinung nach besonders schnell rennen konnte.
    Shade wohnte schon fast sein ganzes Leben in diesem Haus an der Ecke Lafitte und Perry Street und hatte seine wichtigsten Lektionen auf dem harten Pflaster der näheren Umgebung gelernt. Hier war Frogtown, wo die Sicherungen schneller durchbrannten, die Koteletten länger, die Röcke kürzer und die Erwartungen niedriger waren. Shade liebte dieses Viertel.
    Als er die hintere Treppe herunterkam, sah er jenseits der Eisenbahnschienen den Fluss, aus dem schimmernder Nebel aufstieg, sodass das gegenüberliegende Ufer wie eine Fata Morgana erschien. Er setzte sich in seinen Wagen, startete den heiseren Three Twenty-Seven und machte sich auf den Weg zum nicht allzu weit entfernten Wohnsitz von Willie Dastillon.
    Wie die meisten guten Amerikaner hatte Willie Dastillon das Bedürfnis nach Sicherheit, und für ihn bedeutete das: ein Stemmeisen, ein freundlicher Zaun und ein zehnminütiger Vorsprung. Willie wohnte in der Voltaire Street in einem kleinen Holzhaus, das an den Seiten mit grüner Teerpappe verkleidet war.
    Als Shade die Treppe zur Veranda hinaufstieg, begegnete er einem kleinen Jungen mit zahlreichen blauen Flecken, der auf seinem Dreirad tollkühn von einem Ende des Geländers zum anderen bretterte.
    »Wer bist du?«, fragte der Junge.
    »Ich möchte zu deinem Papa. Ist Willie zu Hause?«
    »Hm-hmmm.« Der Junge sprang vom Dreirad, streckte sich zum Türknauf, der ein ganzes Stück über seinem Kopf war, und öffnete die Tür erstaunlich geschickt. »Papa! Papa, hier ist ein Mister für dich.«
    Unaufgefordert trat Shade ein. Willie saß im vorderen Zimmer; sein linkes Bein war eingegipst und lag auf einem Hocker. Er trug eine Sonnenbrille und Kopfhörer und zupfte an einem langen weißen Rückenkratzer wie an einer Gitarre.
    Als er Shade entdeckte, ließ er die Kopfhörer herunterrutschen, und Jason and the Scorchers dröhnten gegen seine Kehle. Willie schüttelte den Kopf und schaltete die Musik ab.
    »Mach die Tür zu, Mick. Geh wieder draußen spielen.«
    »Okay, Papa.«
    Shade nahm Platz.
    »Gut, fühl dich ganz wie zu Hause«, sagte Willie. »Heute steigt hier wohl ’ne Party. Hab ich ganz vergessen.«
    Willie Dastillon war dünn wie ein

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