Im Tal der bittersüßen Träume
Ihnen. Sie hat nur einen Umweg gemacht, um das Hospital zu besichtigen.«
»Lagarto?« sagte Paddy gedehnt. Das Grinsen verschwand. »Miguel Lagarto?«
»Mein Vater.« Evita holte ein dickes Kuvert aus der Tasche, die sie auf einem Stuhl abgelegt hatte. »Ich habe mich dazu hinreißen lassen, Ihnen das zu überbringen.« Sie zog schnell den Arm zurück, als Paddy die Hand nach dem Brief ausstreckte. »Sie haben schon auf den Brief gewartet?«
»Ich warte immer auf solche Briefe.«
»Wegen der Südfrüchte?«
»Ich liefere jede Menge Südfrüchte«, grinste Paddy.
»Ich übergebe Ihnen den Brief nicht!« sagte Evita laut.
»Da wird der liebe Vater seiner schönen Tochter aber das Fell versohlen«, lachte Paddy. »Wissen Sie überhaupt, wieviel Dollar dieser Brief schwer ist?«
»Ich ahne es.« Mit einem Schwung warf sich Evita herum und hielt Dr. Högli den Brief hin. »Nehmen Sie ihn, Doktor.«
»Sind Sie verrückt?« fauchte Paddy. »Den Brief her!«
Er machte einen Schritt vorwärts, aber da stand plötzlich Juan-Christo zwischen Dr. Högli und ihm und hielt die Pistole hoch. Paddy bremste seinen Angriff und steckte die Hände in die Taschen seiner staubigen Hose.
»Ich werde Ihren Vater anrufen, Miß Lagarto«, sagte er dumpf.
»Mit meinem Vater werde ich selbst einiges zu klären haben.« Furchtlos ging sie auf Paddy zu, blieb ganz nahe vor ihm stehen und sah ihm in die kalten, glitzernden Augen. Welch ein Blick, durchfuhr es sie. Diese Augen können töten. »Sie haben einen neuen Gegner, Mr. Paddy«, sagte sie langsam. »Und vielleicht den bisher gefährlichsten …«
»Soll ich auf die Knie fallen, Sie kleines hysterisches Luder?« Paddy atmete tief ein. »Auf unsere Geschäftsbeziehung bin ich nicht angewiesen – Ihr Vater schon weit mehr! Man wird dem liebenswerten Daddy bald das Paradies anbrennen, wenn aus Santa Magdalena nichts mehr kommt. Aber das sind handelspolitische Auswirkungen. Etwas anderes ist Ihr persönliches Engagement, Miß Lagarto. Haben Sie sich Santa Magdalena genau angesehen? Wir wohnen alle in einem Kessel, zu dem nur eine befahrbare Straße führt: die Nabelschnur zur übrigen Welt. Und Nabelschnüre kann man durchschneiden.«
Er drehte sich herum, alles wich wieder an die Wände zurück. Ungehindert verließ er die Ambulanz. In der Tür drehte er sich aber noch einmal um und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf Juan-Christo.
»Sie sind der Kretin, nicht wahr, mit dem sich Matri als verlobt betrachtet? Wo ist Matri? Seit dem Frühstück ist sie verschwunden. Ist sie bei Ihnen? Sie soll sofort zurückkommen!«
»Ich werde es Matri sagen, wenn ich sie sehe«, antwortete Juan-Christo ruhig. »Sie ist nicht hier.«
»Sehen Sie, Miß Lagarto … so werde ich von allen immer nur belogen!« Paddy kam einen Schritt zurück in die Ambulanz. »Ich sage das Ihnen, weil die anderen es mir nicht abnehmen: Ich habe Matri heute morgen ein bißchen erschreckt, und anscheinend kann hier keiner einen deftigen Witz vertragen. Ich habe Matri aufgezogen, ich habe sie gefunden wie eine kleine, zum Sterben weggeworfene Katze. Sie können darüber lachen, aber Matri gegenüber fühle ich mich als Vater. Ich würde ihr nie etwas antun, ich würde jedem den Schädel einschlagen, der ihr etwas tut. Daß sie diesen Mestizen liebt, habe ich erst heute erfahren. Verdammt, es hat mir irgendwie weh getan. Sie ist für mich wie eine Tochter, begreifen Sie das?«
»Nein!« sagte Evita hart.
»Dachte ich mir. Warum vergeude ich auch soviel Worte? Aber nehmen Sie zur Kenntnis, auch Sie, Dr. Högli: Matri kommt zurück – oder ich walze ganz Santa Magdalena nieder, samt Ihrem Hospital. Das ist ein Versprechen, Doktor!«
Er wandte sich ab und ging hinaus. Die Reifen heulten, als Paddy in einer Staubwolke abfuhr.
»Das war er also«, sagte Dr. Högli und nahm Juan-Christo die Pistole aus der Hand. »Ist Matri bei dir?«
»Ja, Padre Riccardo. Aber sie geht nie mehr zu Paddy zurück.« Juan-Christo zitterte plötzlich. »Sagen Sie bitte, bitte, daß sie nicht wieder zurück muß. Sie hat Angst!«
»Jetzt wissen wir, wo er verwundbar ist.« Evita starrte noch immer auf die offene Tür, als stände dort noch Paddy. »Mein Gott, dieses Scheusal hat ja doch ein Herz! Dr. Högli, ich glaube ihm, was er von Matri sagt.«
»Blödsinn!«
»Nein! Eine Frau hat für diese Zwischentöne ein besseres Gehör als die Männer. Das war echt, ich habe es gespürt. Juan-Christo, bringen Sie mich zu Ihrer Matri. Ich will
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