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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagte Dr. Högli. Er stand neben Felix, der seine Stola vom Hals zog und zusammenlegte. »Sie haben das Zeug zu einem großen Demagogen. Diese Predigt heute war ein Meisterstück an passiver Revolution. In den Indios kocht es jetzt … und dabei haben Sie nur über Jericho gesprochen! Felix, worauf wollen Sie hinaus?«
    »Das wissen Sie genau, Riccardo.« Pater Felix ging in die Sakristei und warf jetzt erst seine Soutane über den grünschillernden nackten Körper. »Evita hat mir gesagt, was Sie mit sich herumschleppen. Man opfert sich keinem Mann wie Paddy!«
    »Evita übertreibt«, sagte Högli ausweichend.
    »Ich kann jeden Gedanken in Ihren Augen lesen. Sie können nicht lügen, das ist das Beste an Ihnen.« Er setzte sich auf einen wackeligen Stuhl an den kleinen Tisch, auf dem der Pater Heiligenbildchen, einen Kasten mit Hostien und einige zusammengerollte Plakate verwahrte, Plakate mit ergreifend schlichten Malereien und erklärenden Worten darunter: Der Mann – die Frau – das Kind – der Stein – der Topf – die Sonne – das Wasser. Mit diesen Plakaten brachte er den Indios das Schreiben und Lesen bei, Wort nach Wort, eine mühselige Angelegenheit, aber am Ende eines Monats stand der Erfolg, wenn die Schüler ihre ersten selbst geschriebenen Sätze abgaben, auf Einwickelpapier, auf einem Stück Stoff, einmal sogar auf einer Toilettenpapierrolle, die über einen Capatazo Paddys, der ein Indianermädchen liebte, aus der Hacienda in das Dorf gekommen war. Dort betrachtete man die Wunderrolle als zu schade, sie ihrer eigentlichen Bestimmung zuzuführen – man verteilte sie zettelweise unter des Paters Schüler und hatte nun für ein paar Wochen Schreibpapier genug.
    »Ich wiederhole«, sagte Dr. Högli ernst, »daß es beim Sturm auf Paddys Wasser eine Menge Tote geben wird.«
    »Glauben Sie wirklich, die Capatazos würden auf mich schießen?« Pater Felix wollte, wie er es gewohnt war, mit beiden Händen durch seine schwarzen Locken streichen, aber dann zuckte er zurück. Auf seinem Kopf war ein einziger Lackklumpen. »Sie hatten die Gelegenheit dazu, als Paddy mich anmalen ließ.«
    »Sie treiben ein gefährliches Spiel, Felix, bei dem Sie sehr schnell die Kontrolle verlieren können.«
    »Vielleicht.« Pater Felix band sich wieder den silberbeschlagenen breiten Mexikanergürtel und die Tasche mit dem schweren Revolver um die Soutane. »Ein Mensch, der verdurstet, hat seine eigene Moral.«
    Man muß diese fahrbare Bordellstadt – El Angel, welch ein Name dafür! – gesehen haben. Luxuriöse große Wohnwagen waren zu einem weiten Kreis zusammengefahren, es gab einen Barwagen mit Tanzfläche, ein Schwimmbad mit Duschen, für romantische Gemüter einen Lagerplatz mit nächtlichem Lagerfeuer, die berühmte Rollbahn für Sportflugzeuge, einen Spielwagen, in dem man Roulette und Bakkarat spielen konnte, und sogar einen sogenannten Gruselwagen, in dem sich die Perversen zu Hause fühlten, bei Ketten, Peitschen, Lederbekleidung, Folterinstrumenten und mancherlei abartigen Spielen.
    Über allem herrschte Mary Hawk, 38 Jahre alt, superblond, weshalb sie auch Blondie hieß, üppig wie aus einem Rubensgemälde, geschäftstüchtig wie ein Armenier und, im Gebrauchsfall, stark wie ein Boxer. Sie hatte ihre Stammkunden, die mit dem Flugzeug anschwebten, meistens gut angesehene Geschäftsleute aus dem amerikanischen New Mexico, aus El Paso und sogar aus entlegeneren Gebieten. Empfehlung ist das halbe Geschäft, und El Angel galt als Geheimtip für alle Ehemänner, die außer einer dicken Brieftasche noch eine langweilige Frau besaßen.
    Neben diesen guten Freunden, die Blondie alle duzte, deren Maschen sie kannte und für die immer das Spezialgirl bereitstand, rollte auch Laufkundschaft heran. Dicke Wagen mit schwitzenden Männern, die sich durch die Wüste und über die schmale Piste gequält hatten, um sich in El Angel endlich ihren erotischen Wunschtraum zu erfüllen, ehe es zu spät war.
    Es war schon ein gut geführter Laden, dieses El Angel, und Blondie Mary Hawk rechnete sich aus, daß sie in vier Jahren soweit sein würde, die Bordellstadt in der Wüste an Eileen, ein amerikanisches Callgirl, verpachten und sich als reiche Rentnerin nach Florida zurückziehen zu können.
    Über eines der Hauptgeschäfte aber verlor Blondie Mary kein Wort, weil jedes Wort akute Gefahr bedeutete: Über die Bordellstadt El Angel liefen Paddys Peyotlsaft-Exporte. Das war ein einfaches und sicheres Transportverfahren. Jeder

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