Im Tal der flammenden Sonne - Roman
»Heißt das, ich muss auf einem Kamel reiten?«
Jonathan unterdrückte ein Lächeln. »Das ist überhaupt nicht schlimm, Sie werden sehen. Wenn Sie erst mal oben sitzen, werden Sie gar nicht mehr verstehen, warum Sie sich davor gefürchtet haben.«
Arabella hoffte, dass er Recht behalten würde. Sie würde ihn zu gern begleiten. Sie war nämlich ein bisschen enttäuscht, weil Stuart nicht gewillt schien, ihre kleine Romanze fortzusetzen. Abgesehen von einem knappen »Gute Nacht« hatte er kein Wort mit ihr gewechselt. Vielleicht musste er sich ja erst von den Strapazen der letzten Tage erholen. Wie dem auch war – der Ausflug würde sie bestimmt auf andere Gedanken bringen.
»Aufwachen!«, befahl Wally und richtete seine Waffe auf Goolim. Im Outback schloss niemand seine Haustür zu, und so war Wally einfach in Goolims Haus spaziert. Es war kurz vor vier Uhr morgens. »Los, hoch mit dir!«
Goolim öffnete langsam die Augen. Als er Wally im schwachen Mondlicht erkannte, das durchs offene Fenster fiel, fuhr er erschrocken hoch. »Was … was haben Sie hier zu suchen? Was wollen Sie?«
»Du wirst mich zu Thompsons Schürfstelle führen, und zwar jetzt gleich«, zischte Wally.
»Aber … aber ich weiß doch gar nicht, wo sie ist …«, stammelte Goolim. Das Weiße seiner schreckgeweiteten Augen leuchtete in der Dunkelheit.
»Willst du mich für dumm verkaufen? Natürlich weißt du es!«
»Ich sage die Wahrheit, ich schwör’s!«, wimmerte Goolim. »Er hat mich nie dorthin mitgenommen.«
Wally glaubte ihm kein Wort. »Aufstehen! Los, mach schon!«, befahl er wütend.
Goolim, der um sein Leben fürchtete, schlug die Decke zurück. »Was haben Sie vor?«
»Entweder du bringst mich zur Schürfstelle, oder ich knall dich ab«, sagte Wally kaltblütig. »Du kannst es dir aussuchen.«
Goolim wusste, er hatte keine Wahl. Er zweifelte keine Sekunde daran, dass Wally seine Drohung wahr machen würde. »Ich weiß nur ungefähr, wo sie liegt«, beteuerte er. »Die genaue Lage kenne ich nicht. Aber von dort aus müssten Sie die Stelle finden können.«
Wally holte aus und zog ihm den Griff seines Revolvers über den Schädel. »Beeil dich gefälligst!«, knurrte er.
Blut rann Goolim am Haaransatz entlang und tropfte ihm auf die Schulter. Er wusste, er steckte in großen Schwierigkeiten.
Arabella hatte sich stundenlang schlaflos im Bett gewälzt. Obwohl sie sich auf den Ausflug mit Jonathan freute, graute ihr vor dem Ritt auf einem Kamel. Es war Mitternacht geworden, dann ein Uhr, zwei Uhr, drei Uhr – und sie lag immer noch wach. Um vier Uhr schließlich stand sie auf und zog sich an. Nachdem sie sich in der Küche eine Tasse Tee aufgebrüht hatte, beschloss sie, in die Ghan-Siedlung zu spazieren. Vielleicht würde sie ihre Furcht überwinden, wenn sie die Nähe der Kamele suchte und sich davon überzeugte, wie harmlos die Tiere waren. Aber das wollte sie lieber allein tun, nicht unter den kritischen Blicken von Paddy und Jonathan.
Goolims Kamele standen auf der größten Koppel, dummerweise ganz hinten und weit von der Umzäunung entfernt, wie Arabella enttäuscht feststellte. Sie musste näher an die Tiere heran, wenn sie sich ihrer Angst wirklich stellen wollte. Viele Male hatte sie beobachtet, wie die Kameltreiber sich zwischen den Tieren bewegten, wobei diese sie praktisch ignorierten. Aggressiv waren lediglich die Hengste in der Brunst, doch diese waren auf einer anderen Koppel untergebracht.
Kurz entschlossen kletterte Arabella über die Umzäunung und ging langsam zwischen den Kamelen umher. Die meisten nahmen gar keine Notiz von ihr; nur ein oder zwei beäugten sie neugierig. »Siehst du«, sagte sie leise zu sich selbst, »kein Grund zur Panik. So Angst einflößend sind sie gar nicht.« Mit jeder Minute wurde sie mutiger. Sie streichelte sogar die eine oder andere Stute. Einige Tiere gaben seltsame Laute von sich, doch Arabella merkte schnell, dass es nichts zu bedeuten hatte.
Gemächlich schlenderte sie weiter. Plötzlich trat ihr jemand in den Weg, und sie schnappte erschrocken nach Luft. Dann fiel ihr ein, dass Paddy seine Tiere manchmal nachts bewachte. Vielleicht tat Goolim das ja auch.
»Goolim? Sind Sie das?« Angestrengt starrte sie in die Dunkelheit. »Sie haben mich ganz schön erschreckt.«
Goolim antwortete nicht. Sein Schweigen dehnte sich, und Arabella beschlich das ungute Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung war. Als sie gerade fragen wollte, was er denn habe, spürte sie, wie
Weitere Kostenlose Bücher