Im Tal der flammenden Sonne - Roman
anderer Scherer.
»Ich will, dass sie By the Wayside spielt«, sagte Wilson störrisch.
»Diese Melodie kenne ich nicht«, wand Arabella ein. »Bitte, ich muss jetzt gehen!«
»Erst wenn du noch ein bisschen gespielt hast«, knurrte Wilson.
Arabella hielt nach Stuart Ausschau, aber von dort, wo das Klavier stand, konnte sie ihn hinter der Bar nicht sehen.
Plötzlich wandelte sich der Gesichtsausdruck des Schafscherers. Seine hämische Miene wich einem ungläubigen Ausdruck. Arabella sah dicke schwarze Finger, die sich in einem stählernen Griff um die Schulter des Mannes legten. Trotz seiner Größe wurde er von Rita von den Füßen gehoben, ins Freie gezerrt und in den Staub geworfen.
Anstatt ihrem Kumpan zu Hilfe zu kommen, grölten die Männer in der Bar vor Begeisterung. Zu Arabellas Erstaunen schienen sie sich über Wilsons missliche Lage zu amüsieren.
Wilson war schockiert, von einer Frau angegriffen und wie ein Sack Kartoffeln hinausgeschleppt zu werden, doch er rappelte sich schnell wieder auf. Als er sah, wie seine Kumpane über ihn lachten, fühlte er sich gedemütigt und brüllte vor Wut. Er war das Großmaul der Gruppe, der selbst ernannte Anführer, sodass die anderen einen Schritt zurücktraten, als er versuchte, zu einem Faustschlag gegen Rita auszuholen. Wilson war ein großer, starker Mann, doch seine Arme waren nicht annähernd so dick wie Ritas. Sie trat einen Schritt zurück, um seinem Faustschlag auszuweichen, und verpasste ihm dann einen Aufwärtshaken, der ihn einen Salto schlagen ließ. Wilson ging mit einem dumpfen Aufprall rücklings zu Boden und stand nicht wieder auf.
Den anderen Schafscherern blieb vor Staunen die Luft weg. Als Rita sich zu den Männern umwandte, wichen diese ängstlich zurück und steuerten eingeschüchtert auf die Bar zu.
Arabella flüchtete auf ihr Zimmer, schloss die Tür von innen ab und holte tief Luft, um sich zu beruhigen. Sie zitterte am ganzen Körper. Als sie hinaus auf den Balkon trat, stellte sie fest, dass der Wind aufgefrischt hatte. Staub wirbelte über die Straße.
Plötzlich hörte sie einen lauten Knall. Erschrocken zuckte sie zusammen. Sie konnte niemanden sehen. Dann fiel ihr auf, dass die Balkontür zu Maggies und Tonys Zimmer vom Wind aufgeflogen war. Als Arabella die Tür schließen wollte, sah sie, dass auf dem Boden des Schlafzimmers verstreut Papiere lagen. Offenbar hatte der Wind sie von Tonys Schreibtisch, der in der Ecke des Zimmers stand, geweht. Arabella sammelte die Papiere ein und beschloss, sie in die Schreibtischschublade zu legen, für den Fall, dass der Wind die Tür noch einmal aufreißen sollte. Sie zog die Schublade auf und erschrak. Ganz zuoberst lag ein Blatt Papier voller roter Zahlen – die Bilanz. Arabella blieb die Luft weg: Das Hotel war hoffnungslos verschuldet.
Jetzt begriff sie, weshalb Tony so oft nachdenklich, ängstlich und zornig gewesen war. Er machte sich Sorgen um das Hotel – und das zu Recht, wie es schien. Arabella war sicher, dass Maggie die katastrophale finanzielle Lage nicht in vollem Ausmaß kannte.
Eine Stunde später, die Schafscherer hatten friedlich wie die Lämmchen gegessen, ohne Arabella noch einmal zu belästigen, riefen Stuart und Jonathan in der Bar die letzte Getränkerunde aus.
Erleichtert begab Arabella sich in die Küche und machte sich daran, die Berge von Geschirr zu spülen; Lily und Missy gingen ihr zur Hand.
Die ganze Zeit musste sie an Maggies und Tonys missliche finanzielle Lage denken. In dem Brief, den Arabella entdeckt hatte, drohte die Bank damit, das Hotel zu übernehmen, falls Tony bis Ende Dezember nicht fünfhundert Pfund bezahlte. Arabella wusste, wie sehr Maggie und Tony ihr Leben in Marree liebten und dass sie es nicht verwinden würden, das Hotel zu verlieren. Besonders für Maggie mit ihrem Herzleiden würde es ein schwerer Schlag sein; Arabella befürchtete sogar, die Aufregung könne ihr Leben gefährden. Wahrscheinlich war das auch der Grund, weshalb Tony das ganze Ausmaß der finanziellen Misere vor Maggie verheimlicht hatte.
Arabella arbeitete in der Küche, bis alle Schafscherer zu Bett gegangen waren; dann ging sie hinüber zur Bar. Stuart und Jonathan waren bereits mit dem Aufräumen beschäftigt. Jonathan wischte die Tische ab, während Stuart die schmutzigen Gläser einsammelte. Rita saß draußen auf der Veranda.
»Ich bin gleich wieder da«, sagte Arabella zu Jonathan. »Ich muss nur rasch mit Rita sprechen.« Sie ging hinaus auf die
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