Im Tal der flammenden Sonne - Roman
dich noch einmal belästigen?« Jonathan war noch eine ganze Weile wach geblieben und hatte Arabellas Tür beobachtet. Aber das konnte sie nicht wissen – auch nicht, dass Stuart in der Nacht mehrmals aufgestanden war, um sich zu überzeugen, dass alles in Ordnung war.
»Nein, es hatte nichts mit den Schafscherern zu tun«, sagte Arabella. »Mich hat etwas anderes beschäftigt.«
Sie folgte Jonathan in den Speisesaal. Er schenkte ihr eine Tasse Tee ein. »Und was hat dich so sehr beschäftigt?«, wollte er dann wissen.
Arabella fragte sich, ob sie darüber reden sollte. Schließlich beschloss sie, die Sache nicht länger für sich zu behalten; Jonathan würde es früher oder später ja doch erfahren.
»Gestern hat der Wind Maggies und Tonys Balkontür aufgestoßen. Als ich hinüberging, um sie zu schließen, sah ich, dass Tonys Papiere überall im Zimmer auf dem Boden verstreut lagen. Ich habe sie eingesammelt und in seine Schreibtischlade gelegt. Dabei entdeckte ich zufällig die Bilanz des Hotels …«
»Und weiter?«, fragte Jonathan gespannt.
»Das Hotel ist hoffnungslos verschuldet. Tony hat noch bis zur letzten Dezemberwoche Zeit, um eine beträchtliche Summe zu zahlen, andernfalls übernimmt die Bank das Hotel.«
Stuart und Ted sahen schockiert auf.
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass es so schlimm steht«, brach Ted schließlich das Schweigen. »Tony hat immer den Eindruck vermittelt, seine Rechnungen bezahlen zu können.«
»Ja, wegen Maggie. Ich bin sicher, Maggie weiß nichts von alldem. Es würde ihr das Herz brechen«, sagte Arabella.
»Können wir irgendetwas tun?«, sagte Jonathan.
»Ich wüsste nicht, was«, sagte Arabella bedrückt. Sie hatte die ganze Nacht darüber nachgedacht. »Arme Maggie.«
»Vielleicht fällt uns ja doch etwas ein«, sagte Jonathan. »Lasst uns darüber nachdenken. Wenn wir die Köpfe zusammenstecken, kommt uns vielleicht der rettende Einfall.« Er stand auf, um Wally sein Essen hinaufzubringen. »Aber jetzt sollte ich erst mal unseren Gast bewirten.«
»Wallys Wunde riecht heute Morgen gar nicht gut«, sagte er, als er wieder herunterkam. »Und er hat immer noch große Schmerzen.«
»Wir müssen Rita um Hilfe bitten«, sagte Arabella.
Jonathan pflichtete ihr bei. »Wally wird keine andere Wahl haben, als damit einverstanden zu sein. Ich hoffe nur, dass Rita ihm hilft. Übrigens, gestern Abend habe ich einen Höllenlärm im Speisesaal gehört. Was war denn da los?«
Arabella lächelte. »Rita will Klavier spielen lernen, und ich habe ihr die Grundtonleitern gezeigt«, sagte sie.
»Rita will … Klavier spielen?«, sagte Jonathan ungläubig.
»Das didgeridoo würde besser zu ihr passen«, sagte Ted. »Sie hat auf jeden Fall den Atem dafür.«
Arabella zuckte die Schultern. »Aber sie will nun mal Klavier spielen, also hab ich mich einverstanden erklärt, sie zu unterrichten.« Arabella erwähnte nicht, dass sie Rita zu Dank verpflichtet war. »Leider ist sie ein bisschen ungeschickt. Wenn ich sie nur dazu bringen könnte, die Tasten leichter anzuschlagen …«
»Ungeschickt ist die Untertreibung des Jahres«, sagte Jonathan. »Ich dachte, ein wilder Büffel rennt auf der Klaviatur hin und her, so ein Getöse war das.«
»Es wäre leichter für Rita, das Klavier durch die Stadt zu tragen, als darauf zu spielen, ich hoffe, das ändern zu können«, sagte Arabella. »Aber im Augenblick haben wir ein dringlicheres Problem. Wir haben fast nichts mehr zu essen.«
»An den Schafscherern haben wir gestern Abend gutes Geld verdient«, sagte Jonathan. »Vielleicht können wir von Lizard Creek Station ein Schaf kaufen. Damit könnten wir uns eine Weile über Wasser halten.«
»Und wer soll das Schaf schlachten?«, fragte Arabella und verzog bei dem Gedanken das Gesicht.
»Also, ich kann das nicht«, sagte Ted.
»Seht mich nicht an!«, rief Stuart. »Ich könnte so was auch nicht.«
Jonathan wusste, dass er es ebenso wenig fertig brachte. Tony und Wally waren die Einzigen in der Stadt, die wussten, wie man ein Schaf schlachtete, häutete und zerlegte.
»Und was sollen wir jetzt tun?«, fragte Arabella. »Irgendetwas müssen wir schließlich essen. Wir haben reichlich Mehl, und die Hennen legen jeden Tag, aber alle anderen Vorräte werden knapp.«
»Das Buschessen empfehle ich nicht«, sagte Stuart grinsend, als er an seine kürzlich erlittenen Qualen zurückdachte. »Aber ich könnte eine von Maggies Hennen schlachten.«
»Wag es ja nicht!«, sagte Arabella.
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