Im Tal der flammenden Sonne - Roman
stöhnte Arabella. »Wie viele denn?«
»Zehn Mann, würde ich sagen.«
»Hier können sie nicht bleiben«, sagte Arabella erschrocken. Selbst von hier, aus der Küche, konnte sie den Lärm der rauen Burschen hören. »Du hast sie doch nicht allein in der Bar gelassen?«
»Nein, Stuart bedient sie. Sie wollen über Nacht bleiben. Sie sind den ganzen Weg von Port Augusta hierhergekommen, deshalb kann ich sie nicht abweisen. Sie nehmen den Birdsville Track nach Südwest-Queensland – das heißt, das hier wird für eine ganze Weile ihr letzter richtiger Zwischenstopp sein.«
»Sie werden zu Abend essen wollen, und so viel Fleisch haben wir nicht vorrätig.«
»Ich glaube, es ist genug. Keine Sorge, wir werden sie schon satt bekommen.«
»Keine Sorge? Für mich ist das ein Albtraum, der wahr wird, Jonathan!«
»Ich weiß, Arabella, aber Maggie und Tony können das Geld vermutlich gut gebrauchen, um die laufenden Kosten für diesen Monat zu bestreiten. Ich finde, wir sollten ihnen zuliebe unser Bestes tun.«
Das hatte Arabella nicht bedacht. »Du hast Recht«, sagte sie. »Aber ich habe Angst, dass etwas passiert. Es könnte sich herumsprechen und den guten Ruf des Great Northern Hotels ruinieren.«
»Maggie hat Vertrauen in dich, Arabella, sonst hätte sie dich nicht gebeten, dich hier um alles zu kümmern. Wir dürfen die Männer nicht abweisen.«
Irgendwie fühlte sich Arabella bei diesem Gedanken nur noch schlechter.
Während Jonathan Koteletts hackte, schälte Arabella Kartoffeln und Mohrrüben. Wie üblich brauchte sie eine Ewigkeit dafür. Außerdem hörte sie die Schafscherer in der Bar, und das machte sie nervös. Die Männer lachten und grölten immer lauter, was Arabellas Angst und Unsicherheit wachsen ließ.
Als die Koteletts fertig waren, legte Jonathan sie auf den Grill und schnitt Brotlaibe in Scheiben.
»Ich glaube, wir haben nicht genug Gemüse«, meinte Arabella.
»Im Gemüsegarten ist nicht mehr viel«, sagte Jonathan. »Wir werden damit auskommen müssen.«
»Wenn die Schafscherer das alles aufessen, haben wir nichts mehr für uns selbst«, sagte Arabella. Sie hatten bereits ihre Fleischvorräte geplündert, die für die ganze nächste Woche reichen sollten.
»Wir werden schon etwas finden«, sagte Jonathan. »Keine Sorge, für ihren Aufenthalt hier knüpfen wir den Burschen einen hübschen Batzen ab.« Er verstummte, lauschte dem Lachen und Grölen der Männer. »Wenn du Klavier spielst, werden sie sich vielleicht ein bisschen bremsen. Wie wär’s? Es wäre ja nicht die erste Horde Schafscherer, die du durch dein Klavierspiel in zahme Lämmchen verwandelst.«
»Na schön«, sagte Arabella. »Ich kann’s ja mal versuchen.« Sie strich sich das Haar glatt, nahm die Schürze ab und ging hinüber in den Speisesaal. Als die Schafscherer sie sahen, pfiffen sie und gaben Kommentare ab, die Arabella lieber nicht gehört hätte. Sie senkte den Kopf und eilte weiter, einen Blick auf Rita, Lily und Missy erhaschend, die auf der Veranda saßen. Sie betete, dass Rita keinen Streit vom Zaun brach.
Je mehr die Schafscherer tranken, desto lauter wurden sie. Nicht einmal Arabellas Musik schien daran etwas ändern zu können. Ein paar Männer allerdings wollten ihr zuhören, weil Dave Brewer vom Transcontinental »die Pianistin« in Marree erwähnt hatte, und so kam es zum Streit mit anderen Männern, die zu betrunken waren, als dass sie sich noch für Arabellas Spiel interessiert hätten. Arabella war sicher, dass bald eine Prügelei losbrach und dass die Männer das Hotel kurz und klein schlagen würden.
Ein großer Kerl drängte sie, Ragtime-Melodien zu spielen. Arabella tat ihm den Gefallen, um den Frieden zu wahren, doch als der Mann ausfallend wurde, stand sie auf, um den Salon zu verlassen. Lachend versperrte der Kerl ihr den Weg.
»Lassen Sie mich durch«, sagte Arabella. »Ich muss in der Küche helfen, das Abendessen herzurichten.«
»Nicht so hastig«, sagte der Schafscherer. Er legte ihr eine verschwitzte Hand auf die Schulter und hielt sie mit eisernem Griff fest. Arabella zitterte, Tränen traten ihr in die Augen.
»Lassen Sie mich gehen«, flehte sie. Sie hätte gern nach Jonathan oder Stuart gerufen, wollte aber keine Massenschlägerei provozieren.
»Spiel erst noch ein bisschen, Süße«, sagte der Schafscherer.
»Ich … kann nicht«, sagte Arabella. Die Art, wie er sie ansah, lähmte sie fast vor Angst. Sie wollte nur noch weg.
»Lass sie in Ruhe, Wilson«, sagte ein
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