Im Tal der flammenden Sonne - Roman
Tochter früher bemerkt hätten und den Lokomotivführer zur Umkehr hätten bewegen können, hätten die Chancen, Arabella in der Wüste zu finden – noch dazu nachts –, eins zu einer Million gestanden. Das war Maggie völlig klar.
»Und dann bin ich die ganze Nacht in dieser mörderischen Kälte umhergeirrt«, fügte Arabella voller Selbstmitleid hinzu.
Maggie nickte. »Ja, nachts kann es in der Wüste bitterkalt werden. Wir müssen hier acht Monate im Jahr nach Sonnenuntergang heizen. Aber wie haben Sie hierhergefunden? Das grenzt an ein Wunder.«
»Ein paar Aborigines haben mich gefunden und hergeführt. Ich hatte schreckliche Angst, sie würden mich umbringen.«
»Wie kommen Sie denn darauf?« Maggie sah sie verwundert an. Sie hatte noch keinen Aborigine getroffen, der aggressiv gewesen wäre.
»Einer hat mir ständig seinen Speer in die Rippen gestoßen. Ein anderer hatte einen Ast in der Hand und wollte mich schlagen. Ich hatte Todesangst!«
»Er wollte Sie schlagen?«, fragte Maggie verwirrt.
Arabella nickte heftig.
Maggie betrachtete nachdenklich die sonnenverbrannte Haut des mageren Mädchens. »Sind Sie sicher, dass er Ihnen den Zweig nicht zum Schutz vor der Sonne über den Kopf halten wollte?«
»Was reden Sie denn da?«
»Er hat bestimmt gesehen, wie verbrannt Ihre Haut ist.«
Arabella fand die Vorstellung geradezu lächerlich. »Als ob diese Wilden an so was denken würden!«
Maggie war wütend über so viel Arroganz. »Diese Wilden , Miss Fitzherbert, sind hervorragend an das Leben in der Wüste angepasst. Sie können dort überleben, während wir schon nach kürzester Zeit verdursten oder verhungern würden.«
Arabella musste zugeben, dass sie ohne die Hilfe der Aborigines umgekommen wäre. Aber wie diese Leute sie behandelt hatten! Und wie sie herumliefen! »Sie hatten nichts an«, sagte sie angewidert. »Sogar die Frauen waren fast nackt. Nur primitive Wilde laufen so herum!«
»Kleidung zu tragen macht für die Aborigines keinen Sinn. Ganz abgesehen davon, dass Wasser hier draußen viel zu kostbar ist, um es zum Wäschewaschen zu vergeuden.«
Arabella fiel plötzlich auf, dass Maggies Kleid ein bisschen schmuddelig war. Sie rümpfte die Nase. »Da wir gerade von Wasser sprechen – ich kann es kaum erwarten, ein Bad zu nehmen.«
Maggie schüttelte den Kopf. »In unserer Badewanne liegt zentimeterhoch der Staub, so lange wurde sie nicht benutzt. Und daran wird sich auch nichts ändern.«
Arabella starrte sie entgeistert an.
»Während einer Dürreperiode können wir kein Wasser fürs Baden verschwenden«, erklärte Maggie. »Erst recht nicht, wenn die Dürre seit Jahren anhält, so wie diesmal.«
»Dann müssen Sie eine Ausnahme machen!«, rief Arabella. »Sie können doch nicht von mir erwarten, dass ich wie ein Dreckspatz herumlaufe. So fürchterlich habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gerochen.« Arabella schnupperte an ihren Achselhöhlen und rümpfte abermals die Nase.
»Das wird hier niemanden stören, Miss Fitzherbert. Eine Schüssel Wasser zum Waschen können Sie gern haben. Aber schütten Sie es nicht weg, wenn Sie fertig sind. Ich nehme es zum Gießen im Gemüsegarten.« Maggie schenkte ihr ein Glas Wasser ein und reichte es ihr. »Sie müssen viel trinken, weil Sie viel Flüssigkeit verloren haben. Das ist Quellwasser. Unsere Regentanks sind seit Jahren leer. Die Afghanen holen uns Trinkwasser aus den Quellen bei Mungerannie. Das Wasser aus unserem Brunnen nutzen wir zum Waschen, aber die Vorräte sind begrenzt, deshalb ist jeder Tropfen kostbar.«
»Wie soll ich mich denn mit einer einzigen Schüssel Wasser richtig waschen?«, klagte Arabella weinerlich.
»Das geht schon, Kindchen, glauben Sie mir. Wir machen es auch nicht anders. Als wir Sie heraufgetragen haben, habe ich gesehen, dass Ihre Beine voller Stiche sind. Was ist passiert?«
Arabella zog ihr Nachthemd bis zu den Knien hoch. Ihre Beine waren mit hässlichen roten Pusteln übersät, die fürchterlich juckten. »Ich habe mich unter einen Baum gesetzt und bin eingeschlafen. Als ich wieder aufwachte, krabbelten die grässlichen Ameisen auf mir herum!«
Jeder, der sich im Outback ein wenig auskannte, hätte den Ameisenhaufen sofort gesehen. Doch Maggie verkniff sich diese Bemerkung und sagte stattdessen: »Ich werde Ihnen ein wenig Teebaumöl bringen. Wenn Sie die Schwellungen damit betupfen, wird zumindest der Juckreiz nachlassen.« Maggie lächelte. »Wissen Sie, wir haben im Lauf der Jahre schon
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